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Eine «Kathedrale der Bildung» in der niedersächsischen Provinz

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Mehr als 44 000 Schulen gibt es bundesweit. Ein gutes Dutzend der
Allerbesten werden jedes Jahr beim Deutschen Schulpreis vorgestellt.
Der diesjährige Sieger aus der niedersächsischen Provinz kommt auch
höchsten Ansprüchen ziemlich nahe.

Berlin (dpa) – Zu «Kathedralen der Bildung» möchte Vizekanzler Sigmar
Gabriel möglichst viele Schulen in Deutschland aufpolieren – und hat
dabei zunächst ihren oft bedauernswert maroden Bauzustand im Blick.
Geld für bessere Schulgebäude tut sicher not – am Ende kommt es aber
vor allem darauf an, was Tag für Tag konkret in Klassenräumen,
Sprachlabors und Lehrerzimmern passiert. Seit zehn Jahren ein
wichtiges Schaufenster für gute, motivierende, kreative Schule: die
Verleihung des Deutschen Schulpreises der Robert-Bosch-Stiftung.

Am Mittwoch durfte im westlichen Niedersachsen am lautesten gejubelt
werden, als bei einer im Fernsehen übertragenen Festveranstaltung in
Berlin der Hauptgewinner 2016 verkündet wurde. Die Grundschule auf
dem Süsteresch in Schüttorf holte sich den mit 100 000 Euro dotierten
Deutschen Schulpreis ab – für ihren beispielhaften Umgang mit
Schülerverantwortung und Mitbestimmung. Bei VERA-Vergleichstests
(Vergleichsarbeiten in der Schule) etwa liegt diese Grundschule in
Deutsch weit über dem Durchschnitt.

«Hier haben sich die Lehrer gemeinsam mit dem Schülerparlament, den
Kindern und ihren Eltern auf den Weg gemacht, um das Lernen zu
verändern», lobt der Erziehungswissenschaftler und Jury-Sprecher
Michael Schratz. «Andere Schulen können von der Grundschule auf dem
Süsteresch lernen, wie eine intensive Lernbegleitung und
Beratungskultur bemerkenswerte Leistungsergebnisse und eine
beeindruckende Schulatmosphäre schaffen.»

Gut 250 Kinder gehen in Schüttorf zur Süsteresch-Schule – darunter
Jarle und Joana. Sie loben die fest im Stundenplan verankerte
«Selbstlernzeit». «Dann dürfen wir uns jeder für sich aussuchen, ob
wir lieber Mathe oder Deutsch machen wollen. Wir können zum Beispiel
selbst am Computer eine Geschichte schreiben oder eine Geschichte
lesen», sagt Jarle. «Wir müssen noch nicht mal sagen, was wir machen.
Wir gehen einfach alle an die Arbeit.» Joana lobt ihre Schule für die
angenehme Stimmung. Sie findet gut, «dass man hier so viele Freunde
finden kann. Dass man Hilfe bekommt, wenn man Hilfe braucht und
speziell gefördert wird.» Ob sich noch etwas verbessern lässt? «Mir
fällt nichts ein. Das ist eine ganz tolle Schule hier», sagt Joana.

Viel Raum und Zeit zum Selberlernen, viel Freiheit zum Ausprobieren
eigener Kreativität – das ist in Schüttorf die von Schülern und
Lehrern gelebte Realität. Geistig behinderte Kinder sind seit Jahren
wie selbstverständlich Teil der Klassen (Inklusion). Auch die
Integration von Schülern, die erst noch Deutsch lernen müssen, gehört
längst dazu. Es gibt 14 Schulbegleiterinnen, die für Kinder mit hohem
Förderbedarf zusätzlich zum Lehrer in den Klassen sind. Die Betreuung
in Randstunden und am Nachmittag übernehmen pädagogische Mitarbeiter,
Praktikanten und Teilnehmer am Freiwilligen Sozialen Jahr.

Seine vor sieben Jahren baulich sanierte Grundschule habe sich
«frühzeitig auf den Weg gemacht», sagt Süsteresch-Schulleiter
Heinrich Brinker. Dabei habe sich sein Kollegium ein anderes
Lehrer-Selbstverständnis gegeben – hin zum Lernbegleiter der Kinder.
Mit dem Deutschen Schulpreis hatte er bei der ersten Bewerbung aber
nicht gerechnet. Nun durfte sich der spürbar gerührte Brinker von
Außenminister Frank-Walter Steinmeier loben lassen, der an den ersten
SPD-Bundeskanzler erinnerte: «Wo Mitbestimmung erlebbar und erfahrbar
ist, gilt auch Willy Brandts Wort von der «Schule der Nation».»

Richtig gute Schule wurde in Berlin insgesamt weitere fünf Mal
prämiert: Vier zweite Preise in Höhe von je 25 000 Euro gingen an die
Schule für Erwachsenenbildung Berlin, das Humboldt-Gymnasium Potsdam
sowie die Freiherr-vom-Stein-Gemeinschaftsschule der Stadt Neumünster
und die Schule St. Nicolai mit dem Standort Am Nordkamp auf Sylt
(beide Schleswig-Holstein). Den erstmals ausgeschriebenen, ebenfalls
mit 25 000 Euro dotierten Sonderpreis für Auslandsschulen erhielt die
Deutsche Internationale Schule Johannesburg in Südafrika.

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