SDS-newsline Onlinezeitung

Ein hartes Geschäft – Schauspieler müssen Durststrecken aushalten Von Tom Nebe

| Keine Kommentare

Schreien, einfühlsam sein, apathisch wirken, dann wieder fröhlich:
Schauspiel liegt Menschen im Blut, sagen manche. Doch Talent allein
reicht nicht. Das Schauspielhandwerk zu lernen, ist ein harter Weg –
das gilt häufig auch für das spätere Berufsleben.

Berlin/Hamburg (dpa/tmn) – Dieser Moment, wenn sie eine Theaterbühne
betritt: Geblendet vom Licht erscheint die Umgebung schwarz. Ihr
Körper kribbelt, das Adrenalin fließt in Mengen. Zwei, vielleicht
drei Minuten dauere der Zustand der Aufregung, sagt Christina
Tzatzaraki. «Dann habe ich mich freigespielt und kreiere meine eigene
Welt auf der Bühne.» Sie fühlt sich dann nicht mehr beobachtet,
bekommt die Gefühle des Publikums aber dennoch mit, erzählt sie. «Die
Zuschauer lachen bei einer lustigen Szene oder sind bei einer
bedrückenden Szene still. Es ist toll, diese Reaktionen zu spüren.»

Tzatzaraki, 21, ist Schülerin auf der Filmschauspielschule Berlin.
Vor mehr als drei Jahren zog sie von der griechischen Insel Kreta in
die Hauptstadt, um Schauspiel zu lernen. Jetzt steht sie kurz vor
ihrem Abschluss. Sie habe es schon immer geliebt, sich selbst mit
ihrem Körper und ihrer Sprache auszudrücken, sagt sie, als man sie
nach ihren Motiven für eine Karriere als Schauspielerin fragt. «Das
Spielen tut mir gut.»

Leidenschaft, Fantasie, Vorstellungsvermögen, Lust am Erzählen,
Interesse an moderner und klassischer Literatur, Textverständnis,
Gestaltungswillen. Bittet man Norbert Ghafouri, kurz aufzuzählen, was
angehende Schauspieler mitbringen sollen, nennt er diese Punkte.
Ghafouri ist Leiter der Filmschauspielschule, an der Tzatzaraki
lernt. Er ergänzt, dass man «emotional durchlässig» sein müsse. Es
geht um ein vielfältiges Repertoire an Emotionen, die man beim Spiel
zeigen können sollte. Neugier ist ebenfalls nötig.

Brauchen Schauspieler überhaupt eine Ausbildung? Diese Frage stellen
sich einige Menschen. Denn mancher bekannte Schauspieler hat ohne
Besuch einer Schauspielschule Karriere gemacht. Jürgen Vogel zum
Beispiel. «Es gibt nicht den einen Königsweg», sagt Hans-Werner
Meyer. Er ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender im
Bundesverband Schauspiel und selbst bekannter Schauspieler. Einige
studieren gar nicht, andere belegen nur einzelne Kurse zur
Fortbildung. Eine Schauspielausbildung an einer Schule sei aber
durchaus sinnvoll. «Da kann man sich ohne Druck ausprobieren.»

Michaela Uhlig hat eine klare Meinung zum Thema Ausbildung.
«Schauspiel ist ein Handwerk», sagt die Leiterin der Schule für
Schauspiel Hamburg. Allein der Einsatz der Stimme für die
Theaterbühne: Um sie kräftig und den Raum füllend einzusetzen und
auch nach zwei bis drei Stunden Spiel nicht heiser zu sein, braucht
es Übung. Norbert Ghafouri sagt: «Zehn Prozent sind Talent, neunzig
Prozent sind Willen und Übung.»

In Deutschland gibt es ein gutes Dutzend staatliche Schauspielschulen
und eine Vielzahl an privaten. Während die Ausbildung an staatlichen
Schulen kostenlos ist, weil diese einen Bildungsauftrag vom Land
haben, kostet das Studium an den privaten Schulen eine monatliche
Studiengebühr. Tzatzaraki und ihre Mitschüler etwa müssen 550 Euro im
Monat zahlen. Schüler-Bafög oder Stipendien können bei der
Finanzierung helfen.

Gerade an den staatlichen Schulen, aber nicht nur dort, sei der
Wettbewerb um die Aufnahme sehr hart, sagt Hans-Werner Meyer. Er rät
dazu, sich an mehreren Schulen zu bewerben und die Entscheidung von
den Schwerpunkten der Lehre abhängig zu machen. «Es gibt einen
Pluralismus an Methoden.» Viele Schulen bieten Tage der offenen Tür
oder mehrtägige Workshops zum Reinschnuppern. Diese Angebote sollte
man nutzen, um sich einen Eindruck von der Schule zu verschaffen und
mit Schauspielschülern zu reden.

In einem seiner bekanntesten Songs rappt der Musiker Marteria: «Was
macht man ohne Abi? Schauspiel studieren!» Der wahre Kern dieses
Raps: Es genügt ein Schulabschluss, um sich zu bewerben, die
Hochschulreife braucht es nicht. Das gilt für private
Schauspielschulen, wo die Ausbildung über drei Jahre geht, aber auch
für staatliche Hochschulen, an denen das Studium vier Jahre dauert.
Es geht in erster Linie um Talent und Hingabe. Leichter wird die
Aufnahme an einer der Schulen dadurch nicht: An der Schule für
Schauspiel in Hamburg müssen für die Aufnahmeprüfung zwei Monologe
vorbereitet und ein Lied a cappella gesungen werden. Nur circa 15 von
100 Bewerbern schaffen es in die Ausbildung.

Reich und berühmt werden: Dieses Hollywood-Klischee haben einige
junge Leute, wenn sie von einer Karriere als Schauspieler träumen.
«Wegen des Blitzlichtgewitters oder des Geldes sollte man den Beruf
nicht ergreifen», sagt Hans-Werner Meyer. Die Realität eines
Schauspielers sei eher die eines Kleinverdieners. Es geht von Projekt
zu Projekt, vielleicht gibt es zwischendurch eine temporäre
Anstellung im Theater. «Es braucht für diesen Beruf Leidensfähigkeit
und Nehmerqualitäten, um Durststrecken auszuhalten.» Für die Karriere
braucht man außerdem Glück, um zur richtigen Zeit mit den richtigen
Leuten an den richtigen Projekten zu arbeiten.

Christina Tzatzaraki hofft, dass sie nach der Ausbildung
schauspielern kann. Am liebsten will sie in Filmen mitspielen. Einen
Plan B für den Fall einer Durststrecke hat sie aber auch: «Ich würde
es mit Coaching probieren», sagt sie, «für Schüler, die bei
Aufnahmeprüfungen für Schauspielschulen bestehen wollen.»

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.