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Die Zukunft von Deutschlands Schulen – Was macht eine neue GroKo?

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Die Schulen sind im Fokus von Union und SPD. Die Kanzlerin will einen
Schub bei der Digitalisierung. Die SPD setzt auf möglichst viel
Mitwirkung des Bundes. Gelingt einer neuen GroKo ein neuer Aufbruch?

Berlin (dpa) – Ernüchternd, eine Schande, ein Weckruf – so lauteten
die Kommentare zu den zwei jüngsten großen Schulstudien im Herbst.
Vertreter der Bundesregierung, der Kultusministerkonferenz und
der Studienautoren zeigten sich damals betroffen bis bestürzt. Sind
die Probleme an Deutschlands Schulen für Union und SPD auf dem Weg zu
einer neuen GroKo jetzt ein Weckruf?

Zum Start der Koalitionsverhandlungen nannte Kanzlerin Angela Merkel
(CDU) die Schulen als erstes Beispiel für neue «Zukunftsimpulse», die
sie für Deutschland wolle. «Hier geht es darum, dass wir die
Digitalisierung für unsere Kinder voranbringen, die Digitalisierung
der Schulen.» Tatsächlich flossen von Bildungsministerin Johanna
Wanka (CDU) 2016 versprochene fünf Milliarden Euro für Breitband,
WLAN und Computer bisher nicht. 

Die jüngsten Studien zeigen aber, dass noch mehr im Argen liegt.
Heute können etwas mehr Grundschüler Texte nicht gut verstehen als um
die Jahrtausendwende. Ob bei Mathe, Zuhören oder Rechtschreibung –
auch hier wurden sie binnen fünf Jahren im Schnitt schlechter.

«Dass die Leistungen zuletzt leicht abgefallen sind, überrascht
nicht», sagt OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher. Nach dem Jahr
2000 habe sich zunächst viel getan. Der PISA-Schock steckte den
Politikern in den Knochen. Die OECD hatte unterdurchschnittliche
Leistungen der Schüler in Deutschland aufgezeigt.

Daraufhin seien Bildungsstandards entwickelt, Ganztagsschulen und
frühe Bildung gefördert worden, sagt Schleicher. «Ab 2006, 2007
erlahmte der Reformeifer wieder stärker.» Wie sozial benachteiligte
Schüler in Deutschland bis heute abschneiden, zeigt eine neue
PISA-Auswertung, die Schleicher an diesem Montag in Berlin vorstellt.

Deutschlands Schulen haben verschiedene Probleme. Fassaden bröckeln,
Toiletten sind defekt. Mit 32,8 Milliarden Euro ist der
Investitionsbedarf der Kommunen bei den Schulen weiter hoch, wie
die staatliche Förderbank KfW nach einer Befragung der Kämmerer
feststellte. Wegen des Lehrermangels gibt es immer mehr
Seiteneinsteiger – 3015 waren es im Schuljahr 2016/17.

«Wir müssen Bildung von den Schülern und Lehrkräften her denken und
optimale Lernbedingungen schaffen», fordert Schleicher. «Wir müssen
die Anstrengungen verdoppeln. Eine große Koalition sollte das
hinbekommen.» Es gebe ja bereits vorbildliche Schulen mit
fachübergreifenden Projekten und individueller Förderung. «Nötig wäre
aber ein kohärentes Bildungsangebot über Kommunen- und Ländergrenzen
hinweg.»

Ein anderes Übel: hohe Stundendeputate. Zwar würden Lehrer in
Deutschland vergleichsweise recht gut bezahlt – hätten aber wenig
Zeit für Weiter- und Fortbildung, sagt Schleicher. Auch die
Bildungsgewerkschaft GEW fordert mehr Weiterqualifizierung –
angesichts quer eingestiegener Lehrer sowie den Bedürfnissen von
bildungsfernen und Flüchtlingskindern oder Kindern mit Behinderung.

Geplant haben Union und SPD bisher eine Investitionsoffensive für
Schulen, einen nationalen Bildungsrat mit Politikern und Experten und
einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. «Das
ist schon ein Aufschlag», sagt Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle,
der für die CSU für die Themen Bildung und Forschung mit am
Koalitions-Verhandlungstisch sitzt.

Doch so richtig einig sind sich Union und SPD nicht.
SPD-Bildungspolitiker Hubertus Heil freute sich, dass das
Kooperationsverbot nun aufgehoben werden solle: Der Bund
könne künftig gezielt in Schulen investieren, etwa in den Ausbau von
Ganztagsschulen und digitale Bildung. Spaenle stellt richtig: «Schule
bleibt in der Zuständigkeit der Länder, das ist nicht einen
Millimeter verhandelbar.» Sämtliche Inhalte blieben Ländersache.

Doch will eine neue GroKo schon mehr Bundesgeld für die Schulen
fließen lassen – und ein Wort im Grundgesetz streichen. Bisher darf
der Bund den Ländern Finanzhilfen für die Bildungsinfrastruktur der
«finanzschwachen» Gemeinden geben. Diese Einschränkung soll fallen,
Bundesmittel also für alle Kommunen lockergemacht werden können.

Die GEW fürchtet, dass das Geld nicht reicht. «Die Ausfinanzierung
ist unzureichend und beschämend», sagt GEW-Chefin Marlis Tepe.
Wieviel die Länder nach einer solchen Grundgesetzänderung bekommen
sollen, ist noch unklar. Darüber hinaus soll es zwei Milliarden Euro
für ein Programm Ganztagsschule/Ganztagsbetreuung geben.

Enge Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen, mehr gute
Ganztagsschulen und mehr frühkindliche Bildung – das sind für
Schleicher Schlüssel zum Bildungserfolg. «Die Politik tut sich mit
einer vorausschauenden Bildungspolitik schwer», stellt er aber
fest, «denn dabei gibt es kaum kurzfristige Erfolge.» Dinge wie mehr
Computer in den Schulen ließen sich gut vorzeigen – doch für
durchgängig gutes Lernklima in den Klassenzimmern brauche es mehr.

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