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Die bittere Seite der Schokolade: Kinderarbeit in Westafrika Von Jürgen Bätz, dpa

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Die meiste Schokolade in Deutschland kommt aus Westafrika. Dort
arbeiten immer mehr Kinder in den Kakaoplantagen. Das schadet dem
Image der Schokohersteller. Firmen wie Nestlé engagieren sich gegen
Kinderarbeit. Doch die Umsetzung bleibt schwierig.

Konan Yaokro (dpa) – Die neunjährige Moahé hat in der Kakaoplantage
ihres Vaters Unkrautvernichtungsmittel versprüht. Morgens und abends
schleppte das zierliche Mädchen Wasserbehälter vom Dorfbrunnen nach
Hause, die schwerer waren als sie selbst. Moahé war bis vor kurzem
eines von rund zwei Millionen Kindern, die in der Elfenbeinküste und
in Ghana im Kakaoanbau arbeiten, damit Kunden in Deutschland und
anderswo ihre Schokolade genießen können.

«Ich wusste ja nicht, dass die Arbeit etwas Schlechtes ist. Für mich
war es normal», sagt Moahé entschuldigend. Doch wo Kinderarbeit
anfängt, endet meist die Kindheit: Sie gefährdet die Gesundheit und
schlägt sich negativ auf die Schulbildung durch. Doch wegen einer
Mischung aus Unwissen, Tradition und Armut hält sich die Kinderarbeit
in den Dörfern Westafrikas. Von hier kommt rund zwei Drittel des
weltweit produzierten Kakaos, der dann von Firmen wie Mars, Hershey,
Nestlé, Lindt & Sprüngli, Ferrero und anderen verarbeitet wird.

Und nirgends auf der Welt wird so viel Schokolade verzehrt wie in der
Schweiz und in Deutschland: Jedes Jahr rund zehn Kilogramm pro Kopf.
Allein in Deutschland wurden in diesem Jahr rund 143 Millionen
Schokoladen-Nikoläuse und Weihnachtsmänner hergestellt, wie der
Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie mitteilte. Der meiste
Kakao dafür wird aus der Elfenbeinküste und Ghana importiert.

Die Anzahl der Jungen und Mädchen, die auf Kakaoplantagen arbeiten,
wird indes immer größer. In der Elfenbeinküste ist deren Zahl
zwischen 2009 und 2014 um rund 50 Prozent auf 1,2 Millionen Kinder
gestiegen, wie eine Studie der Tulane Universität in New Orleans im
Auftrag des US-Arbeitsministeriums herausfand. In Ghana ging die Zahl
im gleichen Zeitraum leicht auf 0,9 Millionen Kinderarbeiter zurück.

Kinderarbeit ist in der Elfenbeinküste eigentlich verboten: Das
Tragen schwerer Lasten, etwa von Kakaosäcken, das Sprühen giftiger
Chemikalien wie Insektizide oder die Handhabung von Macheten zum
Unkrautjäten oder Aufschlagen der Kakaofrüchte widersprechen dem
Gesetz. Leichte Arbeiten sind aber weiter erlaubt.

Eine der Organisationen, die vor Ort gegen Kinderarbeit kämpfen, ist
die Internationale Kakaoinitiative (ICI). Im Auftrag von Nestlé hat
sie ein System entwickelt, das in Konan Yaokro und knapp 2700
weiteren Dörfern erfolgreich Kinderarbeit verhindert. Der Dreh- und
Angelpunkt des Systems sind in den Dörfern verankerte Mitarbeiter wie
Serge Alain Affian. Der 30-jährige Kakaobauer hat in Konan Yaokro
jeden Haushalt besucht, um zu sehen, wie viele Menschen unter einem
Dach leben, was sie machen und ob alle Kinder zur Schule gehen. Alle
Daten seiner Gespräche sowie über die Besuche der Plantagen werden
von ihm penibel in einer Smartphone-App erfasst und an ICI geschickt.

«Ein Kind muss beschützt werden und gehört in die Schule», sagt
Affian. Er erklärt Bewohnern, wieso Kinderarbeit schlecht ist. ICI
hat im Land bereits vielen früheren Kinderarbeitern wie Moahé
geholfen. Zudem wurden rund 1400 Klassenzimmer renoviert oder
neugebaut. Die Organisation kann auch bei der Bezahlung der
Schulgebühren helfen. Um zu verhindern, dass Kleinkinder mit auf die
Felder genommen werden, hat ICI auch Kindergärten eingerichtet.

Der Kakao aus Konan Yaokro etwa geht über eine Kooperative im nahen
N’Douci an den US-Rohstoffhändler Cargill, dieser verkauft den Kakao
an Nestlé. Der Lebensmittelkonzern kauft über das System mit ICI nach
eigenen Angaben jährlich rund 47 000 Tonnen Kakaobohnen – etwa 11
Prozent des pro Jahr weltweit von Nestlé gekauften Kakaos.

«In unserer Lieferkette darf es keine Kinderarbeit geben», sagt der
zuständige Nestlé-Manager, Yann Wyss. Nun müsse das 2012 mit ICI
begonnene System so ausgeweitet werden, dass aller angekaufter Kakao
ohne Kinderarbeit hergestellt werde. «Das Problem gibt es in unserer
Lieferkette und wir nehmen es sehr ernst», sagt Wyss. Nestlé machte
mit Süßwaren 2016 einen Umsatz von 8,7 Milliarden Schweizer Franken.
Für den Kampf gegen Kinderarbeit und den Bau von Schulen gab Nestlé
2016 nur 5,5 Millionen Schweizer Franken aus.

Dass der Kinderarbeit in Westafrika so schwer beizukommen ist, liegt
auch an strukturellen Faktoren. Die meisten Kakaobauern bebauen nur
ein paar Hektar. Sie haben nicht genug Einkommen, Arbeitskräfte
einzustellen, weswegen auch Kinder herangezogen werden. Die
Kakaobauern sind den Kräften des Weltmarktes ausgeliefert: Eine Tonne
kostete 2014 in New York noch etwa 3200 US-Dollar, inzwischen sind es
nur noch 1900 US-Dollar. Die Regierung federt die Schwankungen etwas
ab. Im Vorjahr bekamen Bauern einen Fixpreis von umgerechnet 1700
Euro pro Tonne, jetzt sind es nur noch knapp 1100 Euro. «Der Aufwand
lohnt sich heute kaum mehr», sagt Kakaobauer Attalé André Yao.

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