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Der Tod des Comandante – mit Fidel Castro endet eine Ära Von Klaus Blume, dpa

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Fidel Castro war einer der großen Revolutionäre des 20. Jahrhunderts.
Als kommunistischer Führer bot er dem übermächtigen Nachbarn USA die
Stirn. Mit seinem Tod endet auf Kuba eine Ära, auch wenn er seine
Regierungsämter schon vor Jahren niedergelegt hatte.

Berlin (dpa) – Man hatte den Comandante schon oft für tot erklärt.
Wenn die spanischsprachigen Sender in Miami (US-Staat Florida) solche
Falschmeldungen verbreiteten, ließen die Exil-Kubaner die Sektkorken
knallen und stimmten Hupkonzerte an. Aber der Revolutionsführer lebte
immer weiter, so wie ja auch all die vielen im Laufe der Jahre gegen
ihn ausgeheckten Attentatspläne gescheitert waren. Doch nun ist es
wahr: Fidel Castro ist tot. Der frühere kubanische Staats- und
Parteichef starb am Abend des 25. November 2016 im Alter von 90
Jahren.

Mit seinem Tod geht eine Ära zu Ende. Von den großen Revolutionären
des 20. Jahrhunderts war er der langlebigste. Seit dem Einmarsch in
Havanna 1959 bis zu einer schweren Erkrankung regierte er die
Karibikinsel selbst, und seit er 2006 seine Ämter an seinen Bruder
Raúl abgab, wirkte er als graue Eminenz im Hintergrund weiter.

Vor der Nase der kapitalistischen Weltmacht USA hatte er ein
kommunistisches System errichtet. Er verhalf Kuba zu einer für einen
Staat dieser Größe ungewöhnlichen Rolle auf der internationalen
Bühne. Castro spaltete die Welt in Anhänger und Gegner. Die einen
priesen die sozialen Fortschritte, die er den Kubanern gebracht habe.
Die anderen sahen in ihm den Diktator, der politische Gegner
gnadenlos verfolgte und niemals freie Wahlen zuließ.

Fidel Castro Ruz wurde nach amtlicher Biografie am 13. August 1926 in
dem Dorf Birán im Osten Kubas als Sohn eines spanischen Einwanderers
geboren. Schon als Kind empfand er die sozialen Verhältnisse im
ländlichen Kuba als zutiefst ungerecht. Er studierte später Jura in
Havanna, praktizierte aber nie als Rechtsanwalt. Er versuchte,
politisch zu wirken, und kandidierte für einen Sitz im Kongress bei
der für Juni 1952 anstehenden Wahl.

Womöglich wäre Castro nie ein Revolutionär geworden, hätte nicht
General Fulgencio Batista dann geputscht und die Wahl abgesetzt.
Gut ein Jahr später, am 26. Juli 1953, überfiel Castro mit einigen
Dutzend Getreuen die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba, um ein
Fanal zum Sturz des Tyrannen zu setzen. Das Unternehmen endete in
einem Blutbad, die meisten der jungen Verschwörer kamen um. Castro
wurde vor Gericht gestellt und sprach den berühmten Satz: «Verurteilt
mich, die Geschichte wird mich freisprechen.»

Zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, kam Castro schon nach zwei Jahren
dank einer Amnestie frei. Er ging nach Mexiko ins Exil und kehrte
Ende 1956 mit 81 Männern an Bord der Yacht «Granma» heimlich nach
Kuba zurück. Nur wenige der schlecht ausgerüsteten Kämpfer überlebten
das Armeefeuer der ersten Tage. Doch diese konnten sich in der Sierra
Maestra festsetzen, nach und nach an Stärke gewinnen und Ende 1958 in
die Offensive gehen. Batista floh in der Silvesternacht, am
Neujahrsmorgen 1959 verkündete Castro den Sieg der Revolution.

Mit radikalen Maßnahmen machte er sich an den Umbau Kubas. Bei der
Landreform enteignete er auch amerikanischen Besitz und machte sich
die USA zum Feind. Diese verhängten ein Handelsembargo und lancierten
die Invasion von Exil-Kubanern in der Schweinebucht. Kuba fand in
Moskau einen neuen Verbündeten. Die Stationierung sowjetischer
Raketen auf der Insel brachte die Welt 1962 an den Rand des
Atomkriegs, doch mit dem Abzug erhandelte der damalige Sowjetführer
Nikita Chruschtschow die Zusage der Amerikaner, Kuba nicht mehr
anzugreifen.

Castro stieg in den folgenden Jahren nicht nur zum «Máximo líder»
seines Landes auf, sondern auch zu einer der Führungsfiguren der
Blockfreien-Bewegung. Viele Staaten der Dritten Welt sahen in Kuba
ein Vorbild im Erziehungswesen und bei der medizinischen Versorgung.
Castro schickte aber nicht nur Ärzte und Lehrer ins Ausland, sondern
auch Tausende von Soldaten. In Angola entschieden im Chaos nach der
Unabhängigkeit von Portugal 1975 kubanische Truppen den Kampf um die
Hauptstadt Luanda zugunsten der kommunistischen MPLA. Sie zogen erst
ab, als Ende der 1980er Jahre Südafrika Namibia in die Unabhängigkeit
entließ.

Mehr als eine Million Kubaner kehrten im Laufe der Jahre aus
politischen oder wirtschaftlichen Gründen ihrem Land den Rücken, die
meisten gingen in die USA. Hatte Moskau die kubanische Wirtschaft bis
1989 hoch subventioniert, so stürzte die Insel mit dem Untergang der
Sowjetunion in ihre schwerste Krise. Viele Kubaner hungerten.

Allen Unkenrufen zum Trotz brach nach dem Fall der Berliner Mauer der
Kommunismus auf Kuba aber nicht zusammen. Zum einen ließ Castro
begrenzte wirtschaftliche Reformen zu, zum anderen genoss er unter
denen, die auf der Insel geblieben waren, immer noch einen gewissen
Rückhalt. «Er hat den Kubanern erstmals in ihrer Geschichte eine
gleichermaßen nationale wie lateinamerikanische Identität, Würde und
Selbstbewusstsein gegeben», sagte der deutsche Castro-Biograf Volker
Skierka der Deutschen Presse-Agentur. Er habe ihnen auch ein
Bildungs- und Sozialsystem beschert, das trotz zunehmender Mängel
immer noch beispielhaft sei und in reformierter und aktualisierter
Form Modellcharakter für die Dritte Welt haben könnte.

Zehn US-Präsidenten – von Dwight D. Eisenhower bis George W. Bush
– hat Castro während seiner Regierungszeit getrotzt. Am 31. Juli 2006
gab er wegen einer schweren Operation seine Ämter zunächst
provisorisch an seinen jüngeren Bruder Rául ab, der dann 2008 bei der
Neukonstituierung des Staatsrats als Staatschef bestätigt wurde.

Raúl Castro führte die Politik vorsichtiger marktwirtschaftlicher
Reformen fort, ließ aber am Machtmonopol der Kommunistischen Partei
nicht rütteln. Ob sich das Reformtempo ohne den großen Bruder im
Hintergrund beschleunigt, bleibt abzuwarten.

Die Ende 2014 eingeleitete historische Versöhnung Kubas mit den USA
begrüßte Castro zwar. Sein Bruder Raúl habe als Staatschef im Sinne
der ihm vom Parlament und der Kommunistischen Partei übertragenen
Verantwortung gehandelt, ließ er mitteilen. Zugleich bekräftigte er
aber sein Misstrauen gegenüber dem alten ideologischen Feind. Nach
dem Besuch von US-Präsident Barack Obama in Havanna im März spottete
er im Parteiblatt «Granma» über dessen «honigsüße Worte». «Wir haben
es nicht nötig, dass das Imperium uns was schenkt», schrieb Castro
unversöhnlich.

Zu seinem 90. Geburtstag am 13. August meldete sich der Jubilar noch
mit einem Brief zu Wort. Er empfinde «tiefste Dankbarkeit für
Demonstrationen des Respekts, Grüße und Lob, die ich in den
vergangenen Tagen erhalten habe», schrieb er den Staatsmedien
zufolge. Dies gebe ihm Stärke, «mich mit Ideen zu revanchieren, die
ich an Parteikämpfer und relevante Organisationen schicken werde».

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