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Der Studienabbrecher – das unbekannte Wesen

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Studienabbruch ist an deutschen Hochschulen ein häufiges Phänomen.
Für Betroffene bedeutet es in den meisten Fällen Frust über einen
teuren Irrweg und über verlorene Lebenszeit. Doch man weiß
überraschend wenig über sie – bisher zumindest.

Berlin (dpa) – Bill Gates hat es getan. Anke Engelke auch. Herbert
Grönemeyer, Günther Jauch und Brad Pitt ebenfalls. Diese Promis haben
ihr Studium abgebrochen – der Erfolg ohne akademische Weihen gab
ihnen später Recht. Doch die meisten ihrer Schicksalsgenossen sind
unbekannte Wesen. Und es sind viele. Knapp jeder Dritte verlässt die
Uni ohne Abschluss, verschwindet danach in der Anonymität. Eine neue
Studie soll nun Licht ins Dunkel bringen. Bundesforschungsministerin
Johanna Wanka präsentiert die Ergebnisse am Mittag in Berlin.

Vom wem stammt die Studie, und welche Fragen soll sie beantworten?

Es handelt sich laut Ministerium um die bislang größte bundesweite
Untersuchung zum Thema Studienabbruch. Genau genommen sind es sogar
zwei: Neben der Hauptstudie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und
Wissenschaftsforschung (DZHW) wird auch noch ein eigener Report der
Stiftung Mercator zu Studienabbrechern mit Migrationshintergrund
präsentiert. Eine der Fragestellungen: Wie hoch ist aktuell die Quote
der Studierenden in Deutschland, die ihrer Hochschule den Rücken
kehren? In den Bachelor-Studiengängen waren es zuletzt 28 Prozent.
Warum haben sie ihr Studium abgebrochen? Was tun sie stattdessen?
Angesichts von viel Frust und verlorener Lebenszeit interessiert vor
allem die Frage: Wie können Studienabbrüche künftig vermieden werden?

Wie aussagekräftig sind die Untersuchungen zum Studienabbruch?

Die Berechnung der Schwund- und Abbruchquoten auf Basis des
Hochschuleinstiegs 2014 beruht auf einem vom DZHW entwickelten
Berechnungsverfahren, das Studienanfänger und Absolventen in
Beziehung setzt. Die Ergebnisse sind top-aktuell: Das Projekt begann
Anfang 2014 und endete Mitte 2016. Und sie sind repräsentativ: In die
Befragung wurden auf Basis einer bundesweiten Stichprobe insgesamt 32
Universitäten und 28 Fachhochschulen einbezogen. In die Auswertung
liefen Aussagen von gut 6000 Exmatrikulierten ein. Von den
Hochschulleitungen beteiligten sich an Universitäten 121 Physik-,
Betriebswirtschafts- und Germanistikfakultäten, an Fachhochschulen
110 Betriebswirtschafts- und Informatikbereiche.

Das Phänomen ist ja nicht neu. Was hat die Politik bisher getan?

Eine ganze Menge, aber angesichts der hohen Abbrecherquoten
vielleicht noch nicht genug. Seit vorigem Jahr müssen die Unis zehn
Prozent der Mittel aus dem «Hochschulpakt 2020» für Maßnahmen gegen
Studienabbruch verwenden, damit möglichst wenige der zurzeit 2,8
Millionen Studierenden hinwerfen. Wankas Ministerium setzt auf eine
vertiefte Berufsorientierung schon an Schulen, um Fehlentscheidungen
zu verhindern. Die Ministerin hat vor drei Jahren eine Initiative zur
Gewinnung von Studienabbrechern für die berufliche Bildung gestartet
(Jobstarter plus). Vor knapp einem Jahr ging zudem eine zentrale
Informationsplattform online, die Studienzweifler über alternative
Qualifizierungswege in und außerhalb der Hochschulen informiert.

Und was unternehmen die Unis?

Durch leistungsorientierte Mittelvergabe und die steigende Bedeutung
von Qualitätsmanagement an Hochschulen ist Studienerfolg (oder eben
Misserfolg) auch dort ein großes Thema. «Es ist jedoch bislang nur
wenig darüber bekannt, wie und in welchem Maße Studienabbrüche durch
solche Präventions- und Interventionsmaßnahmen der Hochschulen
beeinflusst werden können», räumt das Ministerium ein. Der Präsident
der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Horst Hippler, empfiehlt ein
Orientierungsjahr als Option: «Gerade in den Ingenieurwissenschaften,
wo Mathematik bisher die große Bremse und oft verantwortlich für
Studienabbruch war, hat sich das bewährt. Solche Orientierungsphasen
kosten Geld, aber es würde sich lohnen.»

Zuwanderer haben besondere Probleme. Was weiß man darüber?

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und
Migration (SVR) hat in einer eigenen Untersuchung herausgefunden:
Studierende aus Zuwandererfamilien und Ausländer scheitern an
deutschen Hochschulen sehr häufig – an sprachlichen, fachlichen und
finanziellen Hürden. Die Abbrecherquote ist demnach in dieser mehr
als 700 000 Menschen umfassenden Gruppe mit bis zu 41 Prozent im
Schnitt viel höher als bei Kommilitonen ohne Migrationshintergrund.
Eine Ursache sei «punktuell auch soziale Isolation».

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