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Der Blick von oben auf die Stadt: Das Studienfach Urbanistik Von Anke Dankers

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Sie heißen Urban Design, Urbanistik oder Stadtforschung –
Studiengänge rund um die Entwicklung des städtischen Raums gibt es an
immer mehr Hochschulen in Deutschland. Doch was macht man da
eigentlich? Und welche Berufschancen ergeben sich daraus?

München/Berlin – Moloch. Metropole. Straßendschungel. Betonwüste.
Schmelztiegel. Für die großen Städte der Welt gibt es viele Namen,
positiv wie negativ. Das Thema Stadt bewegt die Gemüter – und ist
immer öfter auch Inhalt von Studiengängen. Einer davon: der Master
Sustainable Urbanism an der Technischen Universität München. Sein
Ziel: Architektur, Gesellschaft, Ökonomie und Raumplanung zu
erforschen und neu zu denken.

«Unter dem Begriff Urbanistik werden Studiengänge angeboten, die sich
mit der Erforschung der Stadt auseinandersetzen», erklärt Prof. Mark
Michaeli, Studiendekan der Fakultät für Architektur an der TU. «Aber
nicht nur im planerischen oder rechtlichen Sinne, sondern immer von
einem architektonisch-räumlichen Verständnis aus.»

Statt den Lebensraum nur zu analysieren sei die Aufgabe des
Urbanisten vielmehr, sich aktiv in die Raumgestaltung einzubringen
und eigene Entwürfe zu entwickeln: «Am Ende muss ich derjenige sein,
der einen Vorschlag macht, wenn es um die Frage geht, wie es mit
unserer Stadt weitergehen soll», so Michaeli.

Die große Frage dabei ist immer: Wie sieht die Stadt von morgen aus?
«In den letzten Jahren haben sich einige inhaltliche Fragestellungen
massiv verändert», sagt Michaeli. «Heute sieht man Stadt nicht mehr
nur als räumliche, funktionelle Institution, sondern die Leute müssen
sich auch wohlfühlen.»

Zudem habe eine starke Spezialisierung dazu geführt, dass nur noch
wenige Menschen den ganzen Komplex «Stadt» überblicken. Hier kommen
die zukünftigen Urbanisten ins Spiel: «Es braucht diese Leute, die
einen weiten, interdisziplinären Blick haben», sagt Michaeli. «Sie
wissen, welche Sprache in welchem Fachgebiet gesprochen wird und
welche Zuständigkeiten zu beachten sind.»

Zu diesen Leuten gehört auch Hisar Ersöz, der an der Technischen
Universität Berlin den Masterstudiengang Urban Design belegt. «Die
Herausforderung besteht einerseits darin, die Unsicherheiten
aushalten zu können, mit denen man im Umgang mit dem extrem komplexen
Thema Stadt konfrontiert ist», erzählt er. «Man hat häufig das
Gefühl, es gäbe noch mehr zu berücksichtigen, was gar nicht
berücksichtig werden kann.»

Die andere Herausforderung sei, eine gemeinsame Sprache zu finden und
nicht aneinander vorbei zu reden: «Da stoßen die Ästheten auf die
Theoretiker. Es ist ein transdisziplinäres Studium, man weiß von
allem ein bisschen, aber von nichts alles.»

Ob Texte, Zeichnungen, Modelle oder Präsentation: Je nach
Fragestellung erarbeiten die studentischen Teams unterschiedliche
Lösungen für stadtpolitische Fragen, darunter etwa die Wohnungsnot in
Berlin. Auch Planspiele stehen auf dem Stundenplan, bei denen sie die
verschiedenen Sichtweisen stadtpolitischer Akteure einnehmen. «Man
sollte sich für gesellschaftspolitische Fragen und Themen
interessieren und Lust daran haben, praxisnah zu arbeiten, aus dem
akademischen Elfenbeinturm heraus zu kommen», erzählt Ersöz.

«Ein Auffangbecken für Enttäuschte», zitiert er eine Kommilitonin,
die den Studiengang so beschrieb. Sie meinte damit all die
Studierenden, denen in den einzelnen Disziplinen Architektur oder
Raumplanung immer das «etwas mehr» fehlte.

Und die Studiengänge sind beliebt, an der Bauhaus-Universität Weimar
etwa: 40 Studierende werden dort jährlich im Bachelorstudiengang
Urbanistik aufgenommen. «Die Bewerberzahlen sind weit höher als die
Anzahl unserer Studienplätze», sagt Caroline Kauert, Studienberaterin
für Urbanistik. Bei der Auswahl spielt die Abiturnote aber kaum eine
Rolle – eher die Liebe zum Thema. «Es muss grundsätzliches Interesse
für die eigene Umwelt, die Menschen, aber auch Architektur und
Städtebau da sein», so Kauert.

Überprüft wird dieses Interesse in Weimar mit einem Test: In einem
themenbezogenen Projekt absolvieren die Bewerber eine Aufgabe
innerhalb der Stadt und lernen dabei die Herausforderungen der
Urbanistik kennen. «Dabei stellen wir fest, wer geeignet ist, in
diesem Studiengang zu studieren», erklärt Kauert das Verfahren.

Wer die Zulassung erhält, darf sich auf ein Projektstudium
vorbereiten: Neben Vorlesungen und Seminaren steht auch viel
praktische Arbeit auf dem Plan – aus Gebieten wie Stadtplanung und
Städtebau, aber auch aus der Denkmalpflege oder der Soziologie.

Auch ein Auslandsaufenthalt ist obligatorischer Bestandteil des
Studiengangs. «Der ist ganz wichtig, um die Planungskulturen anderer
Länder kennenzulernen, um die eigene Planungskultur besser
reflektieren zu können», erklärt Kauert. Nach acht Semestern können
die frischgebackenen Urbanisten dann in den unterschiedlichsten
Berufsfeldern tätig werden: «Man kann in der öffentlichen Verwaltung
arbeiten, in privaten Planungsbüros, in der Politikberatung, aber
auch in der Wissenschaft und in der Entwicklungshilfe.»

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