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«Das Grauen in Worte fassen» – Terror als Thema im Schulunterricht Von Wolfgang Jung

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Gedenkminuten, Diskussionen, Einzelgespräche – auf das Thema Terror
reagieren Schulen unterschiedlich. Klar ist: Gewalt ist längst
Unterrichtsstoff. Das zeigt auch die Bildungsmesse Didacta in
Stuttgart.

Mannheim (dpa) – Terror in Berlin, Tote in Nizza, Anschlag in Kabul:
Berichte über blutige Attacken flimmern über Bildschirme und machen
auch vor den Smartphones von Teenagern nicht halt. Längst ist der
internationale Terrorismus Thema unter Jugendlichen. Doch wie sollen
Bildungseinrichtungen mit solchen Taten umgehen? Wie erklären
Pädagogen Terror – ohne die Angst auch noch zu schüren?

Mit Schweigeminuten wurde in Schulen deutschlandweit etwa der Opfer
der Anschläge in Paris im November 2015 gedacht. «Eine Schweigeminute
allein genügt nicht, man muss das in Erklärungen betten», sagt
Direktorin Silke Herr vom Geschwister-Scholl-Gymnasium in Mannheim.
Beim Anschlag in Nizza im Juli 2016 starben auch zwei Schülerinnen
und eine Lehrerin aus dem Berliner Bezirk Charlottenburg, mit dem
Mannheim eine Partnerschaft unterhält. «Das ist ein Trauma, von dem
sich Schüler und Lehrer lange nicht erholen», sagt Herr. Jede Klasse
müsse ihren Weg finden, damit umzugehen. «Wir wollen Kindern helfen,
das Grauen in Worte zu fassen.»

Terrorismus und Islamismus sind im deutschen Alltag angekommen – und
damit auch an Schulen. Das zeigt auch die weltgrößte Bildungsmesse
Didacta, die am Dienstag (14. Februar) in Stuttgart beginnt. Ein
Thema: Terrorismus als Unterrichtsstoff. Es sei zwar kein
ausgesprochener Schwerpunkt der Messe, sagt Sprecherin Kaja Hoppe.
Aber auf der Didacta spricht auch der Terrorexperte Elmar Theveßen,
stellvertretender ZDF-Chefredakteur.

«Angesichts der Anschläge in Deutschland drängt sich das Thema
Terrorismus in das Leben der Schüler, wenn auch vielleicht nicht in
dem Ausmaß wie in Brüssel und Paris», sagt Theveßen. Den Lehrern
komme dabei eine entscheidende Rolle zu. «Lehrer können ein Forum
schaffen, in dem man offen und ohne Tabus Dinge diskutieren kann –
ohne für eine starke Meinung abgestraft zu werden», betont der
49-Jährige. Dafür müssten Lehrer aber vorbereitet sein. «In
Deutschland ist das Thema Terrorismus in den meisten Bundesländern
leider nicht Bestandteil des Curriculums», meint Theveßen.

Was denken die Schüler selbst? Für den 16-jährigen Nils aus Heilbronn
etwa ist das Thema als Unterrichtsstoff wichtig. «Wir haben vor allem
im Religionsunterricht, aber auch in Französisch darüber gesprochen»,
sagt der Schüler eines Gymnasiums. Der Lehrer habe den Tenor
vorgegeben, dann habe die Klasse diskutiert. «Man hat gelernt, die
Sache von vielen Seiten zu sehen – und nicht nur seine eigene
Meinung. Das hat zum Nachdenken angeregt», meint Nils.

Publikationen zum Thema sind mittlerweile durchaus zahlreich, unter
anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung (Bonn). Verlage
wie dtv (München) und AAP Lehrerfachverlage (Hamburg) halten
ebenfalls Broschüren oder Bücher bereit. Auch von Ministerien gibt es
Handreichungen. «Ziel der Unterrichtsstunden ist es, die Schülerinnen
und Schüler über die Anschläge des letzten Jahres zu informieren, zu
erarbeiten, warum Frankreich schon dreimal Ziel von Anschlägen wurde
und sich über weitere Gefahren und Folgen bewusst zu werden», heißt
es etwa in einer Vorlage des Kultusministeriums in Stuttgart.

«Die meisten Schüler sind zunächst an den Fakten interessiert», sagt
ein Lehrer einer Schule in Ulm. «Dann kommt schnell das Bedürfnis,
darüber zu reden.» Bei manchen Jugendlichen sei es besser,
Einzelgespräche zu führen. «Oft sind sie sich ihrer Meinung nicht
sicher. Sie wollen nicht vor der ganzen Klasse darüber sprechen»,
sagt der Pädagoge, der ungenannt bleiben will.

Für den Terrorexperten Theveßen ist Aufklärung über die Hintergründe
von Gewalt auch Medienerziehung. «Leider sind wir mittlerweile in
einem Universum unterwegs, in dem es schwer fällt, in all dem Lärm
die richtigen Medien herauszusuchen», sagt er. Gerade nach Anschlägen
machten in sozialen Medien oft wilde Gerüchte die Runde. «Insofern
ist es sinnvoll, sich damit zu beschäftigen, wie man zwischen «Fake
News» und dem, was verlässlich ist, unterscheiden kann.»

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