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Blutdruck messen statt Vokabeln pauken – Schulfach Pflege Von Jessica Hanack

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Magdeburg (dpa) – Stifte und Hefte bleiben bei den Schülern an diesem
Nachmittag in der Tasche. Stattdessen werden Blutdruckmessgeräte und
Stethoskope verteilt. Für die 14 Neuntklässler der Integrierten
Gesamtschule «Regine Hildebrandt» in Magdeburg steht seit diesem
Schuljahr Pflege auf dem Stundenplan. Dieses Mal heißt das: Puls
messen, Blutdruck kontrollieren, das Herz-Kreislauf-System
kennenlernen.

Das Kooperationsprojekt zwischen dem Landesverband der
Volkssolidarität Sachsen-Anhalt, der Gesamtschule und dem Institut
für Weiterbildung in der Kranken- und Altenpflege (IWK) ist ein neuer
Ansatz, um Schüler frühzeitig für Pflegeberufe zu begeistern. Der
Wahlpflichtkurs geht über zwei Jahre und beinhaltet ein zweiwöchiges
Praktikum, das in einer sozialen Einrichtung absolviert werden soll.
«Wir müssen die Jugendlichen ansprechen und stärker fördern», sagt
die Personalleiterin der Volkssolidarität Sachsen-Anhalt, Anja
Girschik.

Der Grund dafür ist klar: In der Pflegebranche fehlt qualifiziertes
Personal. Auf Länderebene gelte die Altenpflege als «Engpassberuf»,
sagt Kristian Veil, Sprecher der Regionaldirektion
Sachsen-Anhalt-Thüringen von der Bundesagentur für Arbeit. «Hier
übersteigt die Nachfrage nach Fachkräften das Angebot an
Fachkräften.»

Die Jahresdurchschnittswerte der Arbeitsagentur zeigen: Während die
Zahl der Arbeitslosen in der Altenpflege seit 2013 deutlich
zurückgegangen ist, hat sich die Zahl der gemeldeten freien Stellen
fast verdoppelt. In der Gesundheits- und Krankenpflege gab es im
Dezember 2017 sogar mehr unbesetzte Stellen als Arbeitslose.

Während also der Bedarf an Pflegekräften steigt, sinkt das Interesse
junger Menschen, in der Branche zu arbeiten. Zwischen 2012 und 2016
hat die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Auszubildenden in der
Altenpflege stetig abgenommen. Auch das IWK kämpft mit fehlendem
Nachwuchs. «Die Bewerberzahl ist in den vergangenen zehn Jahren
rapide runtergegangen», sagt Pflegefachdozentin Manuela Ball, die am
IWK die Gesamtschüler unterrichtet.

Während es früher Jahre mit zwei Klassen gab, müsse man sich heute
anstrengen, genügend Schüler für eine Klasse zu finden. Den Grund
sieht sie vor allem im schlechten Image der Pflegeberufe. «Es ist
dringend notwendig, das Bild aufzuwerten. Es muss eine größere
Würdigung für Pflegekräfte und mehr Anerkennung für den Beruf als
solchen geben», fordert Ball. An diesem Punkt soll nun das Schulfach
Pflege ansetzen.

Die Teilnehmer haben das Fach statt einer zweiten Fremdsprache
gewählt. Und der Unterricht mit vielen Exkursionen und praktischen
Übungen – unter anderem auch einem Erste-Hilfe-Kurs – scheint bei
ihnen anzukommen. «Eigentlich wollte ich Polizist werden», erzählt
Justin Jacobs, einer von vier Jungen in dem Kurs. Seit diesem
Schuljahr stehe aber Pfleger auf seiner Berufswunsch-Liste ganz oben.
Das Praktikum habe er im Krankenhaus absolviert und dort beim Waschen
von Patienten und beim Verbandswechsel geholfen. Berührungsängste
habe er keine gehabt, im Gegenteil: «Das hat auf jeden Fall Spaß
gemacht.»

Mittlerweile sei die Kooperation sogar bundesweit bekannt geworden,
berichtet Personalleiterin Girschik, unter anderem durch Berichte in
mehreren Fachzeitschriften. «Innerhalb der Volkssolidarität gab es
bereits Anfragen von anderen Landesverbänden zu dem Projekt. Viele
waren überrascht, wie das funktioniert», berichtet sie. Lehrerin
Manuela Ball hat eine Erklärung dafür: «Die meisten der Schüler in
dem Kurs haben schon Misserfolge in der Schule hinter sich.» Im
Pflege-Unterricht würden nun Fähigkeiten hervorkommen, von denen die
Jugendlichen oft selbst nichts wussten. «Wir merken dann richtig: Die
Schüler haben eine hohe soziale Kompetenz.»

Wenn es nach den Beteiligten geht, soll die Kooperation langfristig
fortgesetzt werden. Das Problem, dass Fachkräfte und Nachwuchs in der
Pflegebranche fehlen, werde schließlich nicht so schnell
verschwinden, sagt Girschik. Erste Erfolge, als Arbeitgeber stärker
an die Öffentlichkeit zu gehen, zeigten sich bereis: Für den
Ausbildungsstart im August, berichtet sie, gebe es schon jetzt
mehrere Bewerbungen.

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