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«Aus dem Campus auf die Straßen» – Studenten werben für Europa

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Pro-europäische Signale wie jetzt aus den Niederlanden registriert
der Deutsche-Akademische Austauschdienst mit spürbarer Erleichterung.
Hier gilt: Europäisch mobile Studenten sind ein gutes Mittel gegen
neuen Nationalismus. Dafür sollen sie «raus auf die Straßen».

Berlin/Bonn (dpa) – Studentinnen wie Rita Mercedes Begines Cid aus
Spanien und Emese Pásztélyi aus Ungarn muss niemand mehr von der
europäischen Idee überzeugen. Die jungen Frauen sind Teilnehmerinnen
des Erasmus-Programms der EU, dessen 30-jähriges Bestehen dieses Jahr
groß gefeiert wird. Studentische Mobilität ist für beide ganz normal,
und damit natürlich auch eine klare Abgrenzung vom neuen
Nationalismus in Europa und der Welt.

Rita und Emese wollen in Deutschland «Mini-Botschafter» ihres Landes
sein – was im Fall der Ungarin nicht immer ganz einfach ist. Wenn
unter Studierenden das Gespräch auf ihren nationalkonservativen
Ministerpräsidenten Viktor Orban komme, dann sei das für sie «nicht
das beste Thema für einen schönen Abend», sagt Pásztélyi.

Die Ungarin und die Spanierin sind Vorzeigefrauen für Erasmus, das
älteste Bildungsprogramm der Europäischen Union. Zwischen 1987 und
2017 hat es rund 4,4 Millionen Studierende unterstützt, davon nach
aktuellen Zahlen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD)
rund 651 000 aus Deutschland. «Eine einzigartige europäische
Erfolgsgeschichte» sei das nach dem Renaissance-Gelehrten Erasmus von
Rotterdam benannte Programm, da sind sich alle einig – von Kanzlerin
Angela Merkel über Bundesbildungsministerin Johanna Wanka bis zur
DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel.

Wintermantel will den Studierendenaustausch via Erasmus gerade auch
angesichts zunehmender Abschottungstendenzen vorantreiben. Der Brexit
und die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im Vorjahr waren für
sie massive Rückschläge. Mit ihrer Freude und auch Erleichterung über
das pro-europäische Votum der Niederländer – inklusive Abstrafung des
Rechtspopulisten Geert Wilders – hält Wintermantel am Donnerstag beim
Erasmus-Gespräch des DAAD in Berlin daher nicht hinter dem Berg.

Den jüngsten «Renationalisierungstendenzen» müssten gerade die
Hochschulen «unbedingt entgegentreten», sagt Wintermantel im Gespräch
mit der Deutschen Presse-Agentur. Insbesondere Wissenschaft und
Forschung seien doch auf internationale Kooperation angewiesen. Es
gelte immer wieder deutlich zu machen, «welch überaus positive
Wirkungen gerade das Erasmus-Programm für die Entwicklung einer
europäischen Identität entfaltet hat und weiterhin haben wird».

Hanns Sylvester, im DAAD Chef der Nationalen Agentur für
EU-Hochschulzusammenarbeit, weiß natürlich, dass Studenten per se
eher wenig Kontakt zu nationalistischen Milieus haben, dass sie als
Pro-Europäer an den Hochschulen gern unter sich bleiben. Daher werden
im Erasmus-Jubiläumsjahr 2017 Aktivitäten von gut 30 deutschen Unis
gefördert, um für Europa zu werben. «Man muss aus dem Campus heraus
gehen, auf die Straßen gehen, den Bürger ansprechen», sagt Sylvester.

Schön und gut, wenn viele Erasmus-Leute derzeit bei pro-europäischen
Demos wie «Pulse of Europe» unterwegs sind – aber für eine
Breitenwirkung muss halt mehr passieren, darüber ist man sich beim
DAAD einig. Argumente für studentische Mobilität hat die überwiegend
vom Auswärtigen Amt und dem Bundesbildungsministerium unterstützte
Austauschorganisation zur Genüge: Erasmus erweitert den Horizont.

So beteiligten sich 81 Prozent der in Europa mobilen Studierenden an
der Europawahl 2014 – gegenüber 30 Prozent bei jungen Menschen
insgesamt. Gut neun von zehn Erasmus-Leuten (93 Prozent) können sich
vorstellen, im Ausland zu leben – gegenüber 73 Prozent der nicht
mobilen Studierenden. Ebenfalls 93 Prozent der Erasmus-Studenten
berichten, dass sie durch ihren Auslandsaufenthalt gelernt haben, den
Wert unterschiedlicher Kulturen zu schätzen.

Insgesamt fühlen sich laut DAAD acht von zehn Erasmus-Geförderten (83
Prozent) stark mit Europa verbunden. «Angesichts des Brexit und der
notorisch niedrigen Beteiligungsquoten britischer Studierender an
Erasmus darf die These gewagt werden, dass erheblich mehr Erasmus
vielleicht geholfen hätte, England in Europa zu halten», heißt es im
DAAD-Jubiläumsbericht «Europa in Bewegung».

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