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Arbeitsprobe in echt: So funktioniert das Assessment Center heute

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Zwei Dutzend nervöse junge Leute, acht knifflige Aufgaben – und am
Ende ein Traumjob. So oder so ähnlich funktioniert das Assessment
Center. Kurz war es außer Mode, jetzt existiert es wieder, nur unter
neuem Namen. Und auch die Aufgaben haben sich etwas verändert.

Mannheim/München (dpa/tmn) – Die letzte Klausur ist geschrieben, die
Abschlussarbeit fertig. Doch auf viele Berufseinsteiger wartet jetzt
noch eine letzte Prüfung – und wenn es um den Traumjob geht,
vielleicht sogar die wichtigste. Das Assessment Center:
berühmt-berüchtigte Auswahltage voller Tests, mit denen Unternehmen
nach den besten Nachwuchskräften suchen.

Vor ein paar Jahren war der Begriff noch in aller Munde, inzwischen
ist es still geworden um ihn. Das liegt aber nicht daran, dass es die
Assessment Center nicht mehr gibt – im Gegenteil. Nach einem
kurzzeitigen Rückgang ist ihre Zahl sogar wieder gestiegen, sagt
Katharina Hain, die bei der Personalberatung Hays die Abteilung
Rekrutierungsmanagement leitet.

Vor allem Positionen für Hochschulabsolventen, in Trainee-Programmen
zum Beispiel, und für Führungskräfte besetzen Arbeitgeber auf diesem
Weg. «Grundsätzlich sind Assessment Center meist für Positionen
geeignet wie im Vertrieb, im Verkauf oder in der Beratung – also
überall da, wo Social Skills wichtiger sind als Hard Skills», sagt
Hain. Und meist sind die Veranstalter eher große Unternehmen, allen
voran die Dax-Konzerne.

Von Assessment Center spricht dabei heute allerdings kaum noch ein
Arbeitgeber. Stattdessen heißen die Veranstaltungen zum Beispiel
Auswahltag, Bewerber-Workshop oder Meet & Greet. Hinter dem schicken
neuen Namen steckt allerdings die gleiche Veranstaltung wie vorher.
«Unabhängig vom Namen ist die Methodik immer die gleiche», sagt Coach
und Ratgeber-Autor Johannes Stärk. «Also Situationen aus dem
Arbeitsalltag zu simulieren, Druck zu erzeugen und den Bewerber dann
darin zu beobachten.»

Der genaue Ablauf ist zwar immer anders. Bestimmte Situationen und
Übungen tauchen aber eigentlich in jedem Assessment Center auf, sagt
Stärk. Das zeigt auch eine Studie von Obermann Consulting, erstellt
im Auftrag des Arbeitskreis Assessment Center. Eine Präsentation, ein
simuliertes Zweiergespräch und ein Interview kommen demnach jeweils
in mehr als 80 Prozent der Auswahlverfahren zum Einsatz. «Wenn Sie
auf diese drei in irgendeiner Form eingestellt sind, sind Sie für das
Assessment Center eigentlich schon gut gerüstet», sagt Stärk.

Doch was verbirgt sich dahinter? Vielleicht die einfachste Variante
ist noch die Präsentation, aus dem Studium schon zur Genüge bekannt –
im Assessment Center nur meist mit mehr Zeitdruck und eventuell ein
paar kniffligen Nachfragen.

Was beim Zweiergespräch genau passiert, hängt vom Job ab: Angehende
Führungskräfte müssen vielleicht ein Mitarbeitergespräch simulieren,
Vertriebler etwas verkaufen. «Im Idealfall sind die simulierten
Situationen tatsächlich der Arbeitsalltag», sagt Stärk. «Sie geben
dann wirklich eine Art Arbeitsprobe ab.»

Und das Interview ist im Grunde nichts weiter als ein reguläres
Vorstellungsgespräch, nur mit einem strukturierten Fragebogen. So
sind die Antworten mehrerer Bewerber für den Arbeitgeber besser
vergleichbar, erklärt Stärk.

Dazu kommen je nach Unternehmen und Job weitere Aufgaben. Recht
populär ist nach Angaben von Obermann Consulting zum Beispiel die
Fallstudie: Hier müssen Bewerber aus einer Vielzahl von Materialien
die wesentlichen Informationen zusammensuchen und dann eine
strategische Lösung für ein Problem entwickeln.

Andere Aufgaben haben an Beliebtheit verloren: Die Gruppendiskussion
etwa, die 2008 noch in fast 80 Prozent aller Assessment Center zu
finden war, kommt heute nur in 40 Prozent der Fälle zum Einsatz.
Ähnlich verbreitet ist die Postkorb-Aufgabe, in der Bewerber unter
Beweis stellen müssen, wie gut sie eingehende Nachrichten und Termine
delegieren oder sortieren können.

Beispiele für viele dieser Aufgaben gibt es im Internet. Und wer es
ganz genau wissen will, kann sich auch für Vorbereitungskurse
anmelden. Teuer müssen die nicht sein: 2014 fand die Stiftung
Warentest heraus, dass eintägige und eher günstige Angebote von
Volkshochschulen mit den kosten- und oft zeitintensiven Trainings
privater Anbieter durchaus mithalten können.

Dazu hilft es, mit offenen Augen und Ohren durch die Welt zu laufen:
«Bei Fallstudien oder Gruppendiskussionen geht es oft um aktuelle
Themen» sagt Katharina Hain. «Hier kann es sich also lohnen, vorher
mal die Nachrichten zu verfolgen. Und generell sollte ich auch
wissen, was die Branche umtreibt.» Wer also zum Auswahltag bei einem
großen Autobauer erscheint, ohne zumindest grob über den Abgasskandal
Bescheid zu wissen, macht vermutlich etwas falsch.

Ansonsten macht Übung auch bei Auswahlverfahren den Meister. «Ich
glaube, dass man im zweiten oder dritten Assessment Center oft besser
ist, genau wie im zweiten oder dritten Bewerbungsgespräch», sagt
Hain. Das müsse aber nicht immer so sein: Wer beim ersten Assessment
Center richtig versagt, ist beim zweiten vielleicht erst richtig
nervös.

Der richtige Umgang mit solchen Rückschlägen gehört aber ohnehin
dazu, sagt Stärk. Denn auch das sagt dem potenziellen Arbeitgeber
etwas über die Persönlichkeit. «Dass bei so einem Assessment Center
nicht alles glatt läuft, ist normal», so der Experte. «Da ist es dann
aber wichtig, dass ich es weiter durchziehe. Mittendrin auszusteigen,
ist eigentlich das Schlechteste, was ich machen kann.»

Vor unmenschlichem Druck im Auswahlverfahren müssen sich Bewerber
heute ohnehin nicht mehr fürchten – anders als früher vielleicht.
Zeitdruck herrscht zwar immer noch, sagt Stärk, auch
Stress-Interviews oder provozierende Fragen gibt es. «Die meisten
Unternehmen verzichten darauf aber zunehmend. Auch für das
Unternehmen geht es ja darum, wie man sich präsentiert.»

Das sollten Teilnehmer an Auswahlverfahren ohnehin immer bedenken,
rät Hain. Nicht nur ein Arbeitgeber sieht hier, wer zu ihm passt –
auch der Bewerber kann sich einen eigenen Eindruck von der
Unternehmenskultur verschaffen. Wie ist der Umgangston? Wie sind die
Mitarbeiter so? «Denn das sind ja oft die zukünftigen Kollegen.»

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