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Alkohol ist Gift für ungeborene Babys – mit lebenslangen Folgen

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Wenn Schwangere mit Bier, Schnaps oder Wein Party machen, riskieren
sie bleibende Schäden bei ihrem Kind. Rund 800 000 Menschen sind in
Deutschland von der Folgeerkrankung FASD betroffen. Viele kommen mit
ihrem Leben kaum zurecht.

Berlin/Hannover (dpa) – «Schwanger. Natürlich ohne Alkohol» steht auf
dem Plakat mit dem kugelrunden Babybauch, den die Mutter zärtlich
umfasst. «Mein Kind will keinen Alkohol» lautet der Titel einer
anderen Aufklärungskampagne. Lange war der Irrglaube verbreitet, dass
in der Schwangerschaft ein Schluck Sekt oder ein Glas Wein ab und an
dem Ungeborenen nichts ausmacht. Dabei dringt jeder Tropfen des
Zellgifts durch die Plazenta zum Kind und kann seine Organe
beeinträchtigen, besonders das Gehirn. Nach Schätzungen kommen pro
Jahr etwa 10 000 Babys mit einer unheilbaren Fetalen
Alkoholspektrum-Störung (FASD) zur Welt. Der Tag des
alkoholgeschädigten Kindes am 9. September soll auf ihr Schicksal
aufmerksam machen.

Einige Mütter sind alkohol- oder drogenabhängig, andere wissen nicht,
dass sie schwanger sind, und machen noch monatelang am Wochenende
Party. Zwischen der dritten und zwölften Schwangerschaftswoche werden
die Organe des Babys im Mutterleib angelegt und können durch Alkohol
bleibend geschädigt werden. «Das Gehirn ist während der gesamten neun
Monate empfindlich», sagt Andrea Benjamins, die im
Sozialpädiatrischen Zentrum Hannover kleine Patienten betreut, die im
Bauch ihrer Mütter einen Vollrausch erleben mussten. Schwangere
sollten komplett auf Alkohol, Drogen und bestimmte Medikamente
verzichten, betont die Kinderärztin.

Einige Kinder mit FASD leben in Pflegefamilien oder Heimen. «Sie sind
schnell überfordert, aggressiv und vergessen viel», sagt Psychologe
Klaus ter Horst vom Eylarduswerk in der Grafschaft Bentheim. Die
Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung betreut derzeit rund 40 Mädchen
und Jungen mit der Störung, die zu verhindern gewesen wäre, wenn die
Mütter auf Alkohol während der Schwangerschaft verzichtet hätten.

Ihnen sieht man die Gehirnschädigung nicht an. Mit entsprechend wenig
Verständnis reagieren Eltern, Lehrer oder Gleichaltrige, solange FASD
noch nicht diagnostiziert ist. «Meinem Adoptivsohn habe ich viel
Unrecht angetan, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass er mit
seiner hohen Intelligenz einfachste Dinge wie Aufräumen nicht
hinbekam», sagt Gisela Michalowski. Als bei ihm im Alter von 19
Jahren FASD festgestellt wurde, entschuldigte sich die Mutter. Das
war vor 14 Jahren. Die Sozialpädagogin aus Lingen hat außer dem
Adoptivsohn vier erwachsene leibliche Kinder und fünf Pflegekinder,
davon drei mit FASD.

Die fatale Wirkung von Alkohol in der Schwangerschaft müsste schon im
Sexualunterricht in der Grundschule thematisiert werden, wünscht sich
Michalowski, die Vorsitzende des Selbsthilfevereins FASD Deutschland
ist. Zudem fordert sie Warnhinweise und Informationstexte auf
Flaschen mit Alkoholika. Zwar gibt es bei einigen Herstellern ein
kleines Piktogramm, auf dem eine trinkende Schwangere durchgestrichen
ist. Das Symbol ohne erklärenden Text sei aber nicht für jeden sofort
verständlich, kritisiert die Vereinsvorsitzende.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, hatte
FASD 2015 zum Jahresschwerpunkt gemacht, seitdem gab es eine Vielzahl
von Kampagnen und Kongressen. Das Wissen über die Risiken durch
Alkohol während der Schwangerschaft sei gestiegen, sagt Mortler. Sie
werde sich auch in Zukunft für Prävention, Information und die
betroffenen Familien stark machen.

Einer Forsa-Studie vom November 2017 zufolge sind 89 Prozent der
Befragten der Ansicht, dass Alkohol während der Schwangerschaft
generell problematisch ist. 70 Prozent wissen, dass der Konsum
schlimmstenfalls zu lebenslangen schweren Behinderungen beim Kind
führen kann. Aber immer noch 8 Prozent glauben, dass ab und zu ein
Glas Bier, Wein oder Sekt nicht schade.

Nach Angaben der Drogenbeauftragten ist Deutschland mit einer 2016
entwickelten Leitlinie zur Diagnostik der alkoholbedingten Störung
international Vorreiter. Allerdings gebe es bei der Betreuung der
Betroffenen beim Übergang ins Erwachsenenalter noch große Defizite,
beklagt Experte ter Horst. Die jungen Erwachsenen überschätzten sich
oft. «Sie sind hochgradig gefährdet, dass sie ihr Leben nicht in den
Griff bekommen.» Viele rutschten in die Sucht und Obdachlosigkeit ab
oder landeten im Gefängnis. Nach jüngsten Studien leiden sie zudem
häufig unter psychischen Störungen.

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