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Zu Unrecht als geistig behindert eingestuft? – Schüler verklagt Land

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Ein junger Mann hat seine gesamte Schulzeit auf einer Schule für
geistige Behinderung verbracht – zu Unrecht, wie er meint. Deshalb
verlangt er nun Schadenersatz vom Land NRW.

Köln (dpa) – Ein Schüler hat das Land Nordrhein-Westfalen verklagt,
weil er seiner Ansicht nach zu Unrecht eine Förderschule für geistige
Behinderung besuchen musste. Der 20-Jährige fordert rund 38 000
Schmerzensgeld und Schadenersatz, weil ihm Bildungschancen und ein
normaler Schulabschluss vorenthalten worden seien. An diesem Dienstag
wird sich eine Zivilkammer des Kölner Landgerichts mit dem
ungewöhnlichen Fall befassen. (Az.: 5 O 182/16)

Der Kläger war im Zuge seiner Einschulung – damals noch in Bayern –
als minder intelligent getestet und deshalb auf eine Sonderschule
verwiesen worden. Als die Familie einige Zeit später nach NRW umzog,
kam er auch dort auf eine Förderschule mit Schwerpunkt geistige
Entwicklung. Dort blieb er bis zu seinem 18. Lebensjahr, obwohl er
seine Lehrer immer wieder um einen Schulwechsel gebeten habe.

Erst mit Hilfe des Vereins «Mittendrin», der sich für Inklusion
einsetzt, gelang ihm schließlich ein Wechsel auf ein Berufskolleg.
Dort bereitet er sich nach Angaben des Vereins zurzeit auf seinen
Realschulabschluss vor.

Nach Auffassung des Klägers hat es die Förderschule versäumt, den
sonderpädagogischen Bedarf in Hinblick auf seine geistige Entwicklung
regelmäßig zu überprüfen, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Die
Bezirksregierung Köln als zuständige Behörde argumentiere dagegen, es
seien keine Fehler gemacht worden. Ein Sprecher der Bezirksregierung
wollte sich wegen des laufenden Verfahrens nicht äußern.

Die «Verordnung über die sonderpädagogische Förderung» sieht vor,
dass der festgestellte Förderbedarf eines Schülers mindestens einmal
jährlich überprüft wird. Zum konkreten Fall wollte das
NRW-Schulministerium auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben. Der
Rechtsanspruch für Eltern, ihr behindertes Kind auf eine Regelschule
schicken zu können, besteht in NRW erst seit 2014.

Nach Einschätzung von Elternvereinen ist die Geschichte des
20-Jährigen keine Ausnahme. Ihm seien eine Reihe von Fällen bekannt,
in denen Förderschülern der Wechsel auf eine allgemeine Schule
verwehrt worden sei, sagte Bernd Kochanek, NRW-Vorsitzender von
«Gemeinsam Leben – Gemeinsam Lernen». Die vorgeschriebene jährliche
Überprüfung des Förderbedarfs werde oft nur nach Aktenlage erledigt:
«Das ist gängige Praxis.»

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