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Wie stark ist der Stoff?

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Teile der Berliner Partyszene sind ohne Drogen undenkbar. Joints und
Ecstasy gehören genauso dazu wie harte Elektromusik in Clubs. Was
genau in manchen Drogen drin ist, weiß kaum jemand. Ändert sich das
womöglich?

Berlin (dpa) – Berlins rot-rot-grüne Koalition möchte gern
sogenanntes Drug-Checking in der Hauptstadt einführen. Dabei sollen
Konsumenten Inhaltsstoffe und Dosierung ihrer Drogen untersuchen
lassen können. Ein erstes Projekt hat am Donnerstag begonnen. Dazu
folgen einige Fragen und Antworten.

Was sind die Ziele von Drug-Checking?

Im Koalitionsvertrag kündigte Rot-Rot-Grün an, Maßnahmen zur
«Verminderung der Begleitrisiken von Drogenkonsum» stärken zu wollen
– Drug-Checking wurde dabei als ein Baustein genannt. Solche Risiken
können neben der Gesundheitsschädigung durch Wirkstoffe – etwa von
Cannabis, Kokain und Ecstasy – auch Verunreinigungen, das Strecken
der Stoffe oder eine zu hohe Konzentration sein.

Befürworter versprechen sich vom Drug-Checking neben öffentlichen
Warnungen zum Beispiel vor gefährlichen Pillen auch einen besseren
Zugang zu Konsumenten, um sie über Risiken aufklären zu können.
Manche hoffen zudem, dass die Hersteller wegen der Kontrollen stärker
auf sichere Produkte achten.

Wie werden die Drogen konkret untersucht?

Experten analysieren kleine Proben des jeweiligen Rauschgifts. Dabei
geht es um den Anteil des Hauptwirkstoffes und die beigemischten
weiteren Inhaltsstoffe. Eine der Analysemethoden heißt HPLC (High
Performance Liquid Chromatographie). Dazu werden meist eine Tablette
oder Teile davon oder 30 bis 50 Milligramm eines Pulvers benötigt –
das entspricht etwa einer Messerspitze. In manchen Ländern gibt es
seit Jahren solche Angebote.

In der Schweiz bietet beispielsweise das Drogeninformationszentrum
(DIZ) der Stadt Zürich zweimal in der Woche Termine an, an denen
Drogen zur Analyse abgegeben werden können. Das Ergebnis kann man
später erfragen. Warnungen werden auch im Internet veröffentlicht.
Mehrmals pro Jahr gibt es zudem ein sogenanntes mobiles Drug-Checking
an verschiedenen Stellen in der Stadt. Diese Analyse dauert etwa eine
halbe Stunde.

In einer der zahlreichen online veröffentlichten Warnungen heißt es
etwa: «Diese XTC-Tabletten enthalten 227.6 mg bzw. 207.7 mg MDMA. Bei
solch hohen Dosen können unter anderem folgende Nebenwirkungen
auftreten: «Kiefer mahlen», Augen- und Nervenzucken, Kopfschmerzen,
Übelkeit, Krampfanfälle, Halluzinationen.» Oder: «Der
durchschnittliche Wirkstoffgehalt der im DIZ getesteten Kokainproben
betrug im dritten Quartal 2018 76,2 Prozent Kokain*HCl
(Hydrochlorid). Der Wirkstoffgehalt der analysierten Proben variierte
stark und lag zwischen 2,3 und 98 Prozent Kokain*HCl.»

Wie ist die Gesetzeslage in Deutschland?

Das Betäubungsmittelgesetz verbietet bestimmte Rauschgifte und ihre
Herstellung und Einfuhr, den Handel, Kauf und weitgehend auch den
Besitz. Es gibt aber zahlreiche Ausnahmen für medizinische und
wissenschaftliche Zwecke. In einem Gutachten des Wissenschaftlichen
Dienstes des Bundestages aus dem Jahr 2009 heißt es, verbindliche
Aussagen über die rechtliche Zulässigkeit von Drug-Checking seien
nicht möglich. «Das Gesetz regelt diesen Sachverhalt nicht
ausdrücklich.»

Dort wird festgestellt, dass der untersuchende Chemiker sich wegen
des unerlaubten Besitzes strafbar machen könne; das Gleiche gelte für
den Konsumenten. Würde ihn die Polizei bei der Abgabe der Droge
beobachten, müsste sie eingreifen. Nötig sei also eine «eindeutige
gesetzgeberische Entscheidung», um Rechtssicherheit herzustellen. So
etwas gibt es für Drogenkonsumräume in einigen Bundesländern.

Was plant der Berliner Senat?

Er stellt für ein Modellprojekt in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt
150 000 Euro bereit. Den Zuschlag für die Umsetzung erhielt eine
Bietergemeinschaft, an der unter anderem die Suchthilfeorganisation
Fixpunkt beteiligt ist. Diese betreibt in Berlin unter anderem
Drogenkonsumräume und stellt Spritzenautomaten bereit. Die Träger
sollen zunächst ein Gutachten zur juristischen Machbarkeit des
Testangebots einholen. Erforderlich wäre eine Ausnahmegenehmigung des
Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Selbst im Fall eines Erfolges ist völlig offen, wann und wie in
Berlin tatsächlich Drogen getestet werden könnten. Der Antrag der
Träger sieht weitere Schritte vor: Unter anderem sollen Personal
eingestellt sowie Ausstattungs- und Laborressourcen geschaffen
werden. Geplant ist eine Internetseite, auf der Ergebnisse
veröffentlicht werden sollen. Aufgabe der Träger ist es demnach auch,
das Projekt bekannt zu machen und Beratungssprechstunden anzubieten.

Was sagen Kritiker?

Der FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe sagt: «Es ist nicht Aufgabe des
Staates, den illegalen Handel und Konsum von Drogen zu fördern,
sondern einen klaren Rechtsrahmen zu schaffen, der der organisierten
Kriminalität diese Einnahmequelle entzieht. Der Senat aus SPD, Linken
und Grünen legt einmal mehr – nach dem Görlitzer Park – ein
Förderprogramm für kriminelle Clans und deren Dealer auf, statt eine
ganzheitliche, moderne Drogenpolitik zu präsentieren.»

Wie alt sind Bemühungen für ein Drug-Checking in Berlin?

Schon 1995 machte in Berlin der Verein «Eve and Rave» in der Berliner
Techno-Szene auf gefährliche Ecstasy-Pillen aufmerksam. Mit dem
Drug-Checking wollte der Verein, der sich im 1994 aus der Berliner
Techno-Partyszene heraus gegründet hatte, das Risiko beim Konsum
vermindern. Allerdings kam es 1996 zum Konflikt mit der Justiz – eine
Durchsuchung und ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft
waren die Folge. Ähnliche Versuche gab es in anderen Städten.

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