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Von Fußwaschungen und «Jesus»-Rufen – Glaubens-Kodex an Uni Hamburg Von Benjamin Haller

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In einem «Raum der Stille» können Studenten an der Uni Hamburg ihren
Glauben ausüben. Dies aber reichte nicht allen. Forderungen, Seminare
nach Gebetszeiten auszurichten, standen etwa im Raum. Grund genug für
die Uni-Spitze, grundlegende Fragen der Religionsausübung zu klären.

Hamburg (dpa) – Dürfen Studentinnen in den Prüfungen verschleiert
sein? Sollen sich Vorlesungen nach den Gebetszeiten von Muslimen
richten? Darf in einem Seminarraum laut gebetet werden? Mit diesen
und ähnlichen Fragen sah sich die Leitung der Universität Hamburg
zuletzt wiederholt konfrontiert – und handelte.

Die Uni regelt nach eigenen Angaben als bundesweit erste Hochschule
seit Mittwoch in einem Verhaltenskodex, wie Studenten im
Wissenschaftsbetrieb ihren Glauben leben und ausüben können. Ein
Thema, in dem Konfliktpotenzial stecken könne, aber keineswegs müsse,
sagte die Philosophie-Professorin Birgit Recki in der Hansestadt.

Eine Kommission aus zehn Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen
unter Vorsitz von Recki hatte den sieben Punkte umfassenden
«Verhaltenskodex zur Religionsausübung an der Universität Hamburg»
erarbeitet. Zentrale Frage, die laut Uni-Präsident Dieter Lenzen im
Raum stand: «Wie gehen wir im Alltag mit dem Thema um?»

Handlungsbedarf sahen Lenzen und seine Mitstreiter, weil es zuletzt
immer mal wieder Konflikte gegeben habe. So berichtete Recki etwa von
organisierten Freitagsgebeten eines salafistischen Predigers in einem
Uni-Institut – «ein Akt konfrontativer Religionsausübung». Oder von
«aggressiver Schulmeisterei» junger Männer, die muslimische
Studentinnen dazu bringen wollten, Kopftuch zu tragen.

Und Lenzen führte als Beispiel an, dass ein junger Mann immer wieder
mit lauten «Jesus»-Rufen aufgefallen sei. «Es geht nicht nur um
Menschen muslimischen Glauben», betonte die Vorsitzende des
Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni, Franziska
Hildebrandt. Der Kodex solle «das respektvolle und friedliche
Miteinander bei der Ausübung verschiedener Glaubensüberzeugungen
regeln», sagte Lenzen. Seine Uni habe sich als bundesweit erste einen
«so fundierten Katalog» zu Fragen der Religionsausübung gegeben.

Was aber bedeutet der Kodex konkret für das Leben an der Uni? Dies
wird in einer zehn Punkte umfassenden «Ausführungsbestimmung des
Präsidiums» geklärt. Dort heißt es etwa, dass religiöse Feste nur in
dem eigens vor rund zehn Jahren eingerichteten «Raum der Stille»
begangen werden dürfen. Und in dem mit Teppichen ausgelegten, etwa 35
Quadratmeter großen Zimmer mit gelben, roten und orangefarbenen
Rechtecken an den Fenstern werde keine Form der Diskriminierung
geduldet.

Weiter wird klargestellt, dass Studenten religiöse Symbole wie das
Kreuz oder den Davidstern verwenden und Kopfbedeckungen tragen
können. Rituelle Handlungen sind indes nur so lange zulässig, wie sie
nicht von anderen als aufgedrängt empfunden werden. «Dieses ist
beispielsweise bei rituellen Fußwaschungen in sanitären Anlagen der
Fall. Diese sind untersagt. Das gilt auch, wenn beispielsweise Gebete
in Räumen der Universität oder auf dem Campus laut gesprochen
werden», heißt es in der Ausführungsbestimmung.

Zur Frage der Vollverschleierung muslimischer Frauen sagte Lenzen:
«Wir lassen das ausdrücklich zu» – allerdings mit Einschränkungen.
Demnach ist etwa bei Prüfungen zur Feststellung der Identität keine
Vollverschleierung gestattet. Der Forderung einiger Studenten, die
Vorlesungen nach den Gebetszeiten der Muslime auszurichten, erteilte
die Kommission hingegen eine klare Absage.

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