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Und wieder Showdown – Seehofer, Söder und das paradoxe CSU-Dilemma Von Christoph Trost und Marco Hadem

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Wenn eine Volkspartei zweimal in einem Jahr auf die Zukunftspläne
ihres Vorsitzenden wartet, muss viel passiert sein. Was sonst nur in
Romanen denkbar ist, ist in der CSU Realität. Ende offen.

München (dpa) – Horst Seehofer ist und bleibt der Meister der
Andeutungen. Offenbar erst recht, wenn er so massiv unter Druck steht
wie jetzt, seit dem CSU-Desaster bei der Bundestagswahl. «Es ist
alles denkbar – und auch das Gegenteil», sagte er der Deutschen
Presse-Agentur kurz nach dem Jamaika-Aus mit Blick auf diesen
Donnerstagabend. Um 18.00 Uhr will er in einer Parteivorstandssitzung
verkünden, wie er sich seine Zukunft vorstellt – und die der CSU.

Es ist das zweite Mal in diesem Jahr, dass ganz allein Seehofer im
Fokus steht. Eine ganze Partei wartet auf die Worte des großen
Vorsitzenden. Wie schon im April, als Seehofer verkündete, sein für
2018 geplantes Karriereende noch einmal zu verschieben – und noch
einmal als Parteichef und bei der Landtagswahl 2018 auch für eine
dritte Amtszeit als bayerischer Ministerpräsident zu kandidieren. Der
Parteivorstand stellte sich einstimmig hinter Seehofers Pläne.

Sieben Monate ist das erst her – und doch Welten entfernt: Die CSU
hat bei der Bundestagswahl dramatisch verloren und ist auf nur noch
38,8 Prozent abgesackt. Wochenlange Jamaika-Sondierungen waren
umsonst, womöglich gibt es Neuwahlen im Bund mit ungewissem Ausgang.
Seehofer sagte damals, wenn die Wahl schiefgehe, könne die Partei ihn
köpfen. Wird nun also abgerechnet?

Fakt ist: In der CSU tobt in aller Öffentlichkeit ein erbitterter
Machtkampf um Seehofers Erbe. Kultusminister Ludwig Spaenle warf
jüngst seiner Kollegin Ilse Aigner «politisches Leichtmatrosentum»
vor. Obwohl die unüberhörbaren Dissonanzen am Dienstag im Kabinett
vollkommen ausgeblendet wurden, zeigt der Zwist: Die CSU steckt in
ihrer größten Krise seit Jahren – und ist tief gespalten: in die
Anhänger von Markus Söder, der sich berechtigte Hoffnungen auf den
Bayern-Thron machen kann, und dessen Gegenspieler.

In dieser dramatischen Lage muss, will Seehofer nun verkünden, wie es
weitergeht. Intern kündigte er – gemünzt auf Söder? – eine Reaktion
an, die «die Gefäße der Ungeduld nicht zum Platzen bringen wird». So
sehr Seehofer zuletzt auch unter Druck stand und steht, es könnte
auch sein, dass sich die CSU wegen der bundespolitischen Krise nach
dem Jamaika-Aus erneut um ihren umstrittenen Parteichef scharrt.

Eine Erwartung in der Partei ist dennoch groß: dass der 68-Jährige
ankündigt, nicht mehr als Spitzenkandidat anzutreten. Als
ausgeschlossen gilt aber, dass er seine Amtszeit freiwillig früher
beendet – und zwingen kann ihn niemand, da die Bayerische Verfassung
kein konstruktives Misstrauensvotum vorsieht. Als ausgeschlossen gilt
zudem auch, dass er selber seinen Dauerrivalen Söder als Nachfolger
vorschlägt. Eher, so heißt es, werde er die Entscheidung in die Hände
der Partei legen. Ein Parteitag – der nächste ist im Dezember – wäre
dafür das zuständige Gremium. Oder doch eine Urwahl, wie sie Aigner
zum Ärger der Söder-Anhänger vorgeschlagen hatte?

Und was ist mit dem Parteivorsitz? Da ist, wenn man sich in der CSU
umhört, alles denkbar. Dass Seehofer noch einmal als CSU-Chef
weitermachen will, um die Partei durch die ungewisse Zukunft auf
Bundesebene und in mögliche Neuwahlen zu führen. Dass er aufhört und
die Nachfolge-Entscheidung der Partei überlasst. Oder dass er
jemanden vorschlägt: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt? Oder
Manfred Weber, Parteivize und EVP-Fraktionsvorsitzender im
Europaparlament? Oder seinen Innenminister Joachim Herrmann?

Dann dürfte es spannend werden: Denn Markus Söder sieht seine Bühne
zwar in München, nicht in Berlin. Viele in der Partei gehen aber
davon aus, dass Söder notfalls als Parteichef kandidieren würde –
wenn er nicht vorzeitig das Ministerpräsidentenamt bekommt. Das würde
dann aber einen Machtkampf bis zum Parteitag im Dezember bedeuten.

CSU-Vize Barbara Stamm sagte dieser Tage beinahe flehend an die
Partei gerichtet, dass sie sich nicht vorstellen könne, wie die CSU
in dieser politischen Situation auf Seehofer verzichten könne.
Dagegen ist meist von jüngeren CSU-lern sehr wohl zu hören, dass auch
Seehofer nicht unersetzlich sei, dass es eine Verjüngung brauche.

Aber noch ist Seehofer nicht weg. Selbst die Variante, dass er noch
einmal in beiden Ämtern weitermachen will, schließen viele nicht aus
– auch wenn unvorhersehbar ist, wie die Partei dann reagieren wird.
Die Partei steckt, so scheint es, in einem unauflösbaren Dilemma.

Seehofer hat am Montag intern angekündigt, in diesen Tagen vor allem
noch einmal mit seiner Familie sprechen zu wollen. Wie schon im
April. Damals hatte er gesagt, die Entscheidung weiterzumachen sei
ihm nicht leicht gefallen, am Ende sei sie 51 zu 49 ausgegangen. Und
wie geht sie diesmal aus? Vielleicht 49 zu 51? Oder ganz anders? Bis
Donnerstagabend kann die CSU nur eines tun: warten.

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