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Prügel für den Lehrer – Umfrage zeigt Ausmaß von Gewalt Von Dorothea Hülsmeier, dpa

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«Wir waren überrascht über die Größenordnung», sagt der
VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann. An jeder zweiten Schule dürften
damit schon mal Schüler gegen Lehrer Gewalt angewendet haben.
Vergleichszahlen gibt es bislang nicht – es ist die erste Erhebung zu
einem Thema, das nach Ansicht vieler Lehrer ein Tabuthema in der
Gesellschaft ist.

Nur die spektakulärsten Fälle scheinen öffentlich zu werden. Für
Aufsehen hatte etwa ein Fall in Niedersachsen gesorgt, bei dem ein
14-jähriger Gymnasiast einen Lehrer bei einer Klassenfahrt mit einem
Schnürsenkel gewürgt haben soll. Der Lehrer hatte ihm das Handy
abgenommen. Der Fall landete im Frühjahr vor Gericht.

Beckmann zählt anonym gebliebene Fälle auf – und da werden nicht nur
Schüler, sondern auch Eltern verbal gewalttätig: Eine junge Lehrerin
sei in der Klassen-WhatsApp von den Eltern als «Schlampe» oder «Hure»
diffamiert worden. Die Schulaufsicht sei mit Verweis auf den
Schulfrieden nicht eingeschritten.

In einem anderen Fall sei eine Grundschullehrerin von Eltern massiv
angegriffen worden, weil sie mit ihrer Klasse eine Moschee besucht
hatte. Die Eltern hätten den Namen der Lehrerin «in einschlägigen
Foren» veröffentlicht und mit Gewalt gedroht. «Sie entfachten so ein
permanentes Angstszenario», sagt Beckmann.

Besonders erschreckend findet Beckmann die Zahl der Angriffe von
Grundschülern. «Das muss uns nachdenklich stimmen mit Blick auf die
Zukunft.» Die Zahlen zeigten auch, dass es vor allem an Haupt-,
Gesamt- und Förderschulen zu körperlicher und psychischer Gewalt
komme. 38 Prozent der Lehrkräfte an Förderschulen hätten bereits
körperliche Übergriffe erlebt.

Die Gründe für die zunehmende Gewalt liegen nach
Einschätzung Beckmanns in der allgemeinen Verrohung der Gesellschaft.
«Man greift schneller verbal zu Beleidigungen, man wird auch
schneller handgreiflich, etwa in der U-Bahn, das spiegelt sich auch
in den Schulen wider», sagt er. Autoritäten würden nicht mehr
anerkannt. «Respekt vor dem anderen gibt es nicht.»

Vor allem die Sprache verroht. Lehrerverbände etwa in
Nordrhein-Westfalen und Bayern haben in eindringlichen Appellen davor
gewarnt. «Wir erleben eine Aggressivität, eine Sprache des Hasses,
der Geringschätzung und Diskriminierung, persönliche Beleidigungen,
bewusste Kränkungen und Ausgrenzung in Wort und Handeln», hieß es
darin. Damit werde der Boden auch für physische Gewalt bereitet. Nach
Erkenntnissen von Neurologen besteht zwischen aggressiver Sprache und
aggressivem Verhalten ein enger Zusammenhang.

Fausthiebe, Tritte, An-den-Haaren-Ziehen oder das Bewerfen mit
Gegenständen – all das gehört zum Spektrum der Gewalt gegen Lehrer.
Doch die wenigsten Fälle kommen zur Anzeige – weil die Schüler noch
nicht strafmündig sind. Zwar bekämen die betroffenen Lehrer in der
Regel Rückendeckung vom Kollegium und ihrer Schulleitung, doch die
übergeordneten Schulbehörden ließen sie im Stich, sagt Beckmann. Die
meisten Lehrer wünschten sich auch eine Kooperation mit der Polizei.

Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft (GEW), sieht ein allgemeines Imageproblem von Lehrern,
das zu den Aggressionen führe. Oft komme es bei Veranstaltungen zum
«Lehrer-Bashing», ein Lehrerhasser-Buch sei vor Jahren sogar zum
Bestseller geworden. «Es fehlt an Rückendeckung in der Politik und
der Öffentlichkeit für den Berufsstand.»

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