Rund 2,8 Millionen Studenten starten in den ersten Oktober-Wochen ins
Wintersemester. «Von wegen lange schlafen und Party machen», so warnt
das Deutsche Studentenwerk vor Klischees. Volle Hörsäle, wenig Geld
zum Leben, hohe Mieten, Stress – auch das gehört zum Studium 2016.
Berlin (dpa) – Vorurteile über das lockere Studentenleben halten sich
hartnäckig. «Die schlafen lange», «machen viel Party» und «trinken
viel» – solche Einschätzungen hörte das Deutsche Studentenwerk (DSW)
bei einer Berliner Straßenumfrage zu seiner 21. Sozialerhebung. Die
aufwendige Studie soll bis Sommer 2017 belastbare aktuelle Daten und
Fakten liefern, wie sie das schon seit 65 Jahren tut. Zu Auskünften
über ihre wirtschaftliche und soziale Lage waren mehr als 400 000
Studierende eingeladen – gut viermal so viel wie bei der 20.
Sozialerhebung vor vier Jahren.
Was weiß man derzeit über Studenten in Deutschland?
ES WERDEN IMMER MEHR: Etwa 2,8 Millionen (2012: 2,5 Millionen)
studieren im Wintersemester 2016/17, überwiegend an den rund 240
Hochschulen in staatlicher Trägerschaft. Tendenz steigend – mit
entsprechenden Begleiterscheinungen wie brechend vollen Hörsälen und
Seminaren. Seit Jahren strömen jeweils 500 000 Erstsemester an die
Unis, darunter immer mehr Ausländer, für die Deutschland ein
attraktiver Hochschulstandort ist. Ein Viertel der Studierenden hat
Migrationshintergrund – und immer noch die Hälfte Eltern mit
akademischem Abschluss. Rund 30 Prozent gehen während des Studiums
ins Ausland – diese Quote soll steigen.
EINE 40-STUNDEN-ARBEITSWOCHE REICHT NICHT: Laut DSW wenden Studenten
in Deutschland im Schnitt 35 Wochenstunden für Vorlesungen, Seminare,
Hausarbeiten und Recherchen an ihrer Uni auf, hinzu kommen etwa
sieben Stunden für Nebenjobs. Und gut jeder Fünfte muss neben der
Hochschule für seinen Lebensunterhalt so viel arbeiten, dass er
«faktisch Teilzeit» studiert, ergab die Sozialerhebung 2012.
BAFÖG HILFT NICHT MAL EINEM VIERTEL: Knapp drei Milliarden Euro ließ
sich Vater Staat die Ausbildungsförderung im Vorjahr kosten. Damit
wurden nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes 611 000 Studierende
gefördert – vor vier Jahren waren es 60 000 mehr. Mit der zum
Wintersemester umgesetzten Bafög-Reform wird nun manches besser: Es
gibt mehr Geld – so steigt der Höchstsatz für Studierende, die nicht
bei den Eltern wohnen, von 670 auf 735 Euro. Und der Kreis der
Geförderten soll um 110 000 wachsen. Zum Vergleich: Schon 2012
verfügten «Normalstudierende» – meist von den Eltern untersützt –
über durchschnittlich 864 Euro pro Monat.
SCHULDENMACHEN IST UNBELIEBT: Trotz steigender Studentenzahlen werden
immer weniger Studienkredite in Anspruch genommen. Die Zahl der 2015
abgeschlossenen Kreditverträge sank im Vergleich zum Vorjahr um zehn
Prozent, ermittelte das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). «Es
gibt in Deutschland eine Mentalität, sich möglichst wenig zu
verschulden», sagt DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde.
«Das hat sich schon früher bei der Einführung von Studiengebühren
gezeigt – wer sich die nicht leisten konnte, hat eher gejobbt als
einen Studienkredit aufzunehmen.» Auf Stipendien kann nur ein kleiner
Teil der Studierenden zurückgreifen.
STUDENTENBUDEN WERDEN ZUM LUXUSGUT: Gut 37 Prozent mehr Miete als vor
sechs Jahren müssen Studierende für eine Wohnung in Berlin
hinblättern, in München und Stuttgart, aber selbst in Osnabrück sieht
es ähnlich dramatisch aus. Diese Mietpreisdynamik macht Studenten
bundesweit zu schaffen. Zugleich ermittelte das DSW, dass sich
Studierende zu 27 Prozent ein WG-Zimmer wünschen, zu 26 Prozent eine
Wohnung alleine und zu 31 Prozent eine Bleibe mit Partner, eventuell
auch mit Kind. Im «Hotel Mama» wollten nur 6 Prozent bleiben, in
einem Studentenwohnheim 9 Prozent. «Der Anteil derjenigen, die als
Studenten noch bei den Eltern wohnen, könnte anwachsen», sagt
DSW-Manager Meyer auf der Heyde.
STUDENTEN-STRESS STEIGT: Eine breit angelegte wissenschaftliche
Untersuchung dazu stellt der AOK-Bundesverband am Vormittag in Berlin
vor. Mehr als 18 000 Studierende wurden befragt. Die Studie zeige
«nicht nur die unterschiedlichen Formen von Stress und deren Ursachen
auf, sondern liefert neben geschlechterspezifischen Unterschieden
auch spannende Vergleiche zwischen den Studienfächern, den Hochschul-
und den Abschlussarten», wie die AOK ankündigte.