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Lehrer auf Probe: Jugendliche testen Wunschberuf an Schulen

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Lehrer sind rar, der Nachwuchs fehlt. Mit dem Freiwilligendienst an
Schulen will Sachsen jungen Menschen Lust auf den Beruf machen. Bei
vielen geht die Rechnung auf.

Leppersdorf/Dresden (dpa) – Mathe-Unterricht in der dritten Klasse,
Thema Addition: Victoria Großmann schreibt dreistellige Zahlen an die
Tafel – Kreide in der einen Hand, das Lehrbuch in der anderen.
Geduldig erklärt sie den Jungen und Mädchen der Grundschule in
Leppersdorf, einem kleinen Ort in der Nähe von Dresden, das Rechnen.
Lehrerin Kerstin Gnatzky schaut ihr über die Schulter. Mit ihren 19
Jahren hat Victoria älteren Lehramtsstudenten wenigstens eines
voraus: Die Erfahrung, wie es im Klassenzimmer tatsächlich zugeht.

Seit August 2015 macht die junge Frau ein Freiwilliges Soziales Jahr
(FSJ) «Pädagogik». Die Möglichkeit, den Lehrerberuf in der Praxis zu
testen, gibt es in Sachsen seit 2013. Mit seinem Schwerpunkt
Pädagogik in der Schule ist das Angebot laut Deutscher Kinder- und
Jugendstiftung (DKJS) einzigartig in Deutschland – auch wenn es in
Berlin, Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern Schulen als
Einsatzort für ein Freiwilliges Soziales Jahr gibt. «Ich denke, es
ist nur eine Frage der Zeit, bis andere Länder nachziehen», sagt
Programmleiterin Claudia Schiebel.

Eigentlich hatte Victoria Großmann schon die Zusage für ein
Lehramtsstudium an zwei Universitäten in der Tasche.
«Grundschullehrerin, das konnte ich mir schon immer gut vorstellen.
Bevor ich studiere, wollte ich aber wissen, ob das wirklich etwas für
mich ist», sagt die junge, energische Frau mit den blonden Haaren.

Also bewarb sie sich bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung,
musste sich durch mehrere Bewerbungsrunden kämpfen. Sie bekam die
Zusage – als eine von 87 Freiwilligen. Beworben hatten sich rund 240
Jugendliche. «Da war ich echt glücklich.» Anders als viele andere
wollte Victoria aufs Land. In Leppersdorf hat bereits ihre
Urgroßmutter unterrichtet, sie selbst ist hier zur Schule gegangen.
«Mich zieht es nicht in die Stadt.»

Die Zahl der Schüler steigt. Auf der anderen Seite gehen immer mehr
Lehrer in den Ruhestand. Nachwuchs zu finden, wird schwieriger – vor
allem für Schulen im ländlichen Raum. Das FSJ «Pädagogik», so hofft
das sächsische Kultusministerium, kann ein Baustein im Werben um
junge Fachkräfte sein. Für die Schulen ist der Einsatz der «FSJ-ler»
kostenfrei, ihre Beitrag übernimmt das Ministerium – mehr als 500 000
Euro allein im laufenden Schuljahr.

«Die Nachfrage auf beiden Seiten ist riesig», sagt Claudia Schiebel
von der Kinder- und Jugendstiftung. 734 Schulen in Sachsen sind
derzeit registriert und wollen einen Freiwilligen. Die Stiftung wählt
die Jugendlichen aus und diese suchen sich ihre Einsatzstelle.
Schwerpunkte sind Förder- und Oberschulen sowie Schulen auf dem Land.
«Wir wollen eine möglichst große Vielfalt.»

Großmanns Tag ist bunt und vollgepackt: Sie hilft den Lehrern im
Unterricht, setzt sich zu den Kindern, die Probleme haben. «Mit denen
mache ich den Stoff ein bisschen langsamer als der Lehrer vorn an der
Tafel.» Zudem betreut sie einen Lerntreff, geht mit den Schülern zum
Schwimmen, organisiert eine Projektwoche. Erst kürzlich hat die junge
Frau einen Schülerrat eingeführt. Fällt ein Lehrer aus, steht sie
auch schon mal vor der Klasse.

«Es ist nicht wie im Studium, dass man nur hospitiert und
mitschreibt. Ich kann mich austesten», sagt die 19-Jährige. Bis zum
Sommer ist Großmann noch als Freiwillige an der Grundschule, aber
schon jetzt ist klar: «Ich will auf jeden Fall Lehrer werden. Das ist
mein Traumberuf.»

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