Nach ihrem niederschmetternden Landtagswahlergebnis versucht die
Südwest-CDU aus der Beteiligung an der Kiwi-Koalition neue Hoffnung
zu schöpfen. Wenn man Profil zeige, könne man in fünf Jahren aus dem
Zweckbündnis gestärkt hervorgehen, meinen die Parteistrategen.
Ludwigsburg (dpa) – Zweckehe, Vernunftehe, Verabredung auf Zeit –
eine Liebesehe ist die Koalition mit den Grünen aus Sicht der
baden-württembergischen CDU nicht. Nach kontroverser Diskussion
ebnete die Mehrheit der Delegierten auf dem Parteitag in Ludwigsburg
jedoch den Weg zur künftigen Kiwi-Koalition. Etliche von ihnen
stimmten dem Koalitionsvertrag am Freitag wegen aus ihrer Sicht zu
umfassenden Kompromissen in der Bildungspolitik nur mit der Faust in
der Tasche zu. Für den CDU-Landeschef und künftigen
Vize-Regierungschef Thomas Strobl war das Ergebnis mit nur
17-Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen deutlicher Beweis des
Vertrauens, dass er das Beste aus dem Bündnis mit den Grünen machen
werde.
Wenn die Ökopartei am Samstag ebenfalls für den Vertrag votiert,
steht der ersten grüngeführte Landesregierung mit der CDU als
Juniorpartner nichts mehr im Weg.
Strobl, der als Verhandlungsführer nächtelang mit den Grünen um
Kompromisslinien gerungen hatte, sieht die neuartige Allianz als
Chance für seine Partei. Er plädierte dafür, «dass wir selbstbewusst
und mit Identifikation und mit Freude in diese Koalition gehen».
Bewähre sich die CDU in erneuter Regierungsverantwortung, dann könne
sie am Ende des Tals, das sie nach dem desaströsen Wahlergebnis von
27 Prozent am 13. März durchschreite, wieder Licht sehen. Die CDU
hatte jahrzehntelang die Macht im Südwesten, bis sie 2011 von einer
grün-roten Landesregierung abgelöst wurde.
Immer wieder sprach Strobl von den «fast gleich starken» Partnern,
die Verantwortung übernehmen. Manche der Delegierten sahen das
allerdings anders und konstatierten eine Schieflage der Kräfte
zugunsten der Grünen. So sprach ein Delegierter vom Koalitionsvertrag
als «grünem Wischi-Waschi», ein anderer monierte, dass die Union
nicht das Finanzministerium besetze. Da alle gemeinsamen Projekte
unter Finanzierungsvorbehalt stünden, säßen die für Finanzen
zuständigen Grünen am längeren Hebel. Dass weiter
Gemeinschaftsschulen genehmigt werden, war anderen Delegierten ein
Dorn im Auge.
Bei einigen Delegierten wurde die Angst deutlich, an der Seite der
Grünen mit ihrem populären Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann
untergebuttert zu werden. «Ich fürchte, dass wir das gleiche
Schicksal erleben wie die SPD», sagte ein Kritiker, der ankündigte,
gegen den Vertrag zu stimmen. Alles, was in der Koalition schiefgehe,
werde man der CDU anlasten, alle Erfolge den Grünen gutschreiben – so
wie es bei der scheidenden grün-roten Landesregierung geschehen sei.
Andere wie der südbadische Bezirkschef Andreas Jung sehen in der
Koalition wiederum eine «Chance zur Erneuerung, zur Modernisierung».
Diese müsse sich auch in der Kabinettsliste niederschlagen. Ob und wo
sich auf dieser der angeschlagene Ex-Spitzenkandidat Guido Wolf
befinden wird, war am Freitagabend noch unklar. Die Spekulationen um
seine politische Zukunft waren durch die öffentlich gemachten Zweifel
der Wirtschaft an seiner Eignung für das Amt des Wirtschaftsministers
befeuert worden.
CDU-Fraktionschef Wolf zeigte sich in seiner Rede auf dem Parteitag
flexibel. Er könne sich auch mit dem Amt des einfachen Abgeordneten
begnügen. Parteikollegen sprachen von einer notwendigen Diskussion.
In der Fraktion, so war am Rande des CDU-Treffens zu hören, wachse
der Druck auf Wolf, den Chefsessel zu räumen.
Die weitere Kritik am Koalitionsvertrag reichte von der Forderung
nach mehr Geld für Straßen über das Ansinnen, den Bildungsplan zu
korrigieren, bis zum Appell, beim Umgang mit den Beamten
nachzujustieren. CDU-Fraktionsvize Peter Hauk mahnte hingegen, die
Resultate der Verhandlungen nicht allzu streng zu bewerten. «Wir habe
kein Grundsatzprogramm für die CDU verabschiedet, sondern ein
Arbeitsprogramm.» Die CDU habe ein paar Kröten schlucken müssen.
Diese seien aber überschaubar.