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Hotel Mama oder ausziehen? – Wo es sich im Studium am besten lebt

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Die erste WG oder doch lieber das alte Kinderzimmer? Diese Frage
stellt sich für viele Erstsemester. Beides hat Vor- und Nachteile –
die über Wäschewaschen und Studentenfeten hinausgehen.

Berlin (dpa/tmn) – Für Studenten wird das frühere Kinderzimmer nach
dem Auszug gelegentlich wieder zum Sehnsuchtsort. Regelmäßige
Mahlzeiten, Waschservice, keine Hauspartys in der Klausurphase – mit
solchen Bedingungen können nur wenige Studenten-WGs mithalten. Doch
auch die Freiheit einer Studentenbude hat ihren Reiz. Ausziehen oder
im Hotel Mama bleiben? Die Vor- und Nachteile im Überblick:

PRO:

Schonfrist: Die eigene Wäsche waschen, essbare Gerichte kochen – für
viele «Erstis» ist das Neuland. Wer hier weiter auf die elterliche
Unterstützung setzt, kann den Sprung in die Selbstständigkeit ein
wenig hinauszögern. Das gilt umso mehr, als seit dem Wechsel auf ein
G8-Schulsystem in vielen Ländern auch Studierende starten, die noch
nicht volljährig sind.

Mietpreise: «Hier wird die Wahlfreiheit eingeschränkt», sagt Andreas
Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Steigende Mietpreise führten dazu, dass eine immer kleinere Gruppe
sich überhaupt zwischen verschiedenen Wohnformen entscheiden kann. Im
Zweifel spricht das gegen den Auszug aus dem Elternhaus.

Mehr Geld: Rund 37 Prozent ihrer Einkünfte geben Studierende im
Schnitt für das Wohnen aus. Wer bei freier Kost und Logis im Hotel
Mama wohnt, hat mehr Geld für andere Dinge. «Versorgungsmechanismen,
die man als Kind erlebt hat, setzen sich in die Studienzeit fort»,
sagt Georg Schlanzke vom Deutschen Studentenwerk. Eventuell lohnt es
sich sogar fürs Hotel Mama: «Wenn die Eltern unterhaltsverpflichtet
sind, bedeutet ein Auszug für sie im Zweifel höhere Kosten.» Eltern
mit höheren Einkommen könnten die Unterstützung oft steuerlich
absetzen, schränkt GEW-Experte Keller ein.

Mehr Freizeit: Wer bei den Wohnkosten spart, muss weniger jobben. Die
gewonnene Zeit lässt sich ins Studium stecken. Das ist ein doppelter
Vorteil, denn auch ein schnellerer Abschluss spart Geld, weil
Wohnkosten und Semestergebühren früher entfallen.

Gewohnte Umgebung: Neuanfänge bedeuten oft Trennungsschmerz. Das kann
sich in Heimweh ausdrücken oder als Gefühl von Einsamkeit. Wer die
gewohnte Umgebung nicht ganz verlässt, ist dagegen gefeit, weil das
alte Umfeld erhalten bleibt.

Rückzugsmöglichkeiten: Es gibt sie – Eltern, die mit ihren Kindern
nachts durch Diskotheken ziehen wollen und am liebsten mit zu jeder
WG-Party kämen. Im Regelfall jedoch geht es im Elternhaus meist
ruhiger zu als im Studentenwohnheim oder in der Party-WG. Das kann
besonders in Klausurphasen hilfreich sein.

KONTRA:

Soziales: Ab einem gewissen Alter werden Legosteine und Stofftiere
zum Kommunikationshindernis. Wer mit Mitte 20 noch ins frühere
Spielzimmer einladen muss, hat höhere Hürden, sich sozial
weiterzuentwickeln. Wer dagegen in einer Studenten-WG oder einem
Wohnheim lebt, macht wichtige Erfahrungen: Man lernt, sich auf fremde
Menschen auf relativ engem Raum einzulassen und mit ihnen zu leben.
Das hilft, Toleranz und Verständnis für andere zu entwickeln,
erläutert das Deutsche Studentenwerk.

Neuanfang: «Der Studierendenstatus steht für eine gewisse Freiheit»,
sagt Keller. Erst in der Studenten-WG oder der eigenen Wohnung kann
man das jedoch richtig auskosten. Ob es um die Ernährung geht, die
Frage nach der schönsten Wandfarbe oder die Work-Life-Balance:
Freiheit lebt von eigenen Entscheidungen.

Auf eigenen Beinen stehen: Studierende sollen kritisches Denken
lernen. «Auch das fällt leichter, wenn man im Privatbereich auf
eigenen Beinen steht», sagt Keller.

Lernen: Wer nach der Vorlesung nicht immer schnell den Zug nach Hause
erreichen muss, lernt Mitstudenten leichter kennen. Das erleichtert
den Anschluss an eine Lerngruppe.

Arbeitsmarkt: Nesthockerei ist bei Personalern keine gefragte
Eigenschaft. Im ersten Bewerbungsgespräch sollte man daher auf
Lobgesänge auf die elterliche Vollpension verzichten.

Generationenverhältnis: Ein Witz geht so: Drei Geistliche streiten
über den Zeitpunkt, an dem das Leben beginnt. «Wenn die Kinder aus
dem Haus sind und der Hund gestorben ist», sagt einer. Darin steckt
ein Funken Wahrheit: Auch Eltern haben ein Recht auf ein eigenes
Leben. Wer den Schritt in die Selbstständigkeit wagt, erkennt das an.
Das macht das Wiedersehen beim ersten Heimatbesuch noch schöner.

Info-Kasten: Hotel Mama nur für wenige ein Herzenswunsch

Allein lebende Studenten sind von ihrer Wohnform eher überzeugt. Mehr
als die Hälfte von ihnen gab in der jüngsten Sozialerhebung des
Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW)
an, sich schon vor dem Studium eine eigene Wohnung gewünscht zu
haben. Noch klarer sieht es bei Paaren aus, die für das Studium
zusammengezogen sind. 78 Prozent von ihnen haben es sich demnach
schon vorher genauso gewünscht. Von denen, die auch im Studium in
ihrem Kinder- oder Jugendzimmer bleiben, bezeichnen nur etwas mehr
als 20 Prozent die Eltern-Kind-WG als Herzenswunsch.

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