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Hart und abgeschieden – Arbeiten als Helfer im Flüchtlingslager Von Anna Kerber und Jennifer Heck

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In einer unwirtlichen Halbwüste in Kenia liegt das größte
Flüchtlingslager der Welt. Hunderte Menschen versuchen dort zu
helfen. Wie sieht die Arbeit für sie aus? Und wie kommt man an so
einen Job?

Dadaab (dpa/tmn) – Sand wirbelt auf, es hat rund 35 Grad. Dreimal pro
Woche landet ein Flugzeug der Vereinten Nationen hier in Dadaab.
Mitten in der Halbwüste im Nordosten Kenias liegt das größte
Flüchtlingslager der Welt. Neben der Landepiste warten Fahrzeuge mit
Logos von Hilfsorganisationen. Etwa zehn Minuten dauert die Fahrt im
klimatisierten Auto über sandige Straßen zum UN-Gelände.

Seit vier Jahren lebt Rezk Rezk dort. Er arbeitet für das
UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR). Seine Aufgabe ist es, die Situation
einzelner Flüchtlinge zu dokumentieren und damit eine mögliche
Umsiedlung in Drittstaaten zu unterstützen. Seine Arbeitswoche
verbringt der 30-Jährige daher zumeist «im Feld», das heißt, er ist
mit einem Team in den Camps unterwegs, die mehrere Kilometer
außerhalb von Dadaab liegen.

Mehr als 260 000 Menschen leben im Flüchtlingslager, rund 90 Prozent
kommen aus Somalia. Unterstützung bekommen die Menschen hier von UN
und zahlreichen Hilfsorganisationen. Etwa 1000 Mitarbeiter sind vor
Ort. Wie kommt man zu so einem Job?

«Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Stufen des Einstiegs»,
erklärt Hellmut Meinhof, Leiter des Büros Führungskräfte zu
Internationalen Organisationen (BFIO) der Bundesagentur für Arbeit.
«Als Praktikant, Absolvent oder Absolvent mit Berufserfahrung.» Früh
anfangen sei immer gut. Wenn man mal drin war, ist es später
leichter, weil man Personen und Spielregeln kennt».

Aber auch Herzblut sei gefragt: «Sie sollten zu dem Thema eine
Beziehung aufbauen, politisches und humanitäres Interesse zeigen»,
rät er. Glaubhaft vermitteln könne man dies etwa durch die Wahl des
Studiums, Auslandsaufenthalte oder ehrenamtliche Tätigkeiten.

Rezk begann bei der UN als Übersetzer in seinem Heimatland Syrien.
Der studierte Informatiker arbeitete als freier Mitarbeiter für einen
Tagessatz in einem Vertriebenenlager in Damaskus. Später studierte er
Menschenrechte an der Universität York in England. Nach Dadaab kam er
im Anschluss über das Freiwilligenprogramm.

Über die Zeit hinweg wurde das UNHCR-Gelände in Dadaab zu einem
kleinen Dorf. Nun ist immer wieder in der Diskussion, dass es
geschlossen werden soll. Längst sind die Büros und Unterkünfte keine
Container mehr. Zwischen den Gebäuden schlängeln sich zementierte
Pfade durch gepflegte Gartenanlagen. Täglich entfernt das Personal
die von Büschen und Bäumen herabgefallenen Blätter aus dem Sand.

Gleich neben dem Restaurant «Pumzika» liegt ein Tennisplatz. Es gibt
eine Kantine und einen kleinen Laden. Rezk ist regelmäßig im
Fitnessraum. Andere treffen sich zum Basketball oder Fußball auf dem
großen Sportplatz, den sich mehrere Hilfsorganisationen teilen.
Wieder andere ziehen sich mit Büchern oder Filmen in ihre Zimmer
zurück. «Die Tatsache, dass man keine Ergebnisse seiner Arbeit sieht,
kann frustrierend sein», sagt Rezk. Viele deckten sich zwecks Mangel
an anderen Freizeitmöglichkeiten mit zusätzlicher Arbeit ein. Ab
18.00 Uhr gilt eine Ausgangssperre.

Man brauche für die Arbeit bei einer Nichtregierungsorganisation
nicht unbedingt Abitur, was man braucht seien Fachkenntnisse, sagt
Anke Kurat, stellvertretende Geschäftsführerin vom Verband
Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe, der rund 120 deutsche NGOs
vertritt. «Das Berufsfeld ist unglaublich weit. Das reicht vom Imker
über Wasserbauingenieure zu Ärzten, Hebammen und Managementpersonal.»
Eigentlich sei die ganze Bandbreite an Berufen gefragt, die es auch
in Deutschland gibt.

Qualifiziertes internationales UN-Personal verdient gut in Dadaab,
deutlich mehr als die kenianischen Mitarbeiter. Die Höhe des Gehalts
richtet sich nach der Eingruppierung: Die Klassen P1 bis P5 setzen
alle einen Hochschulabschluss voraus. Wer etwa auf P2 einsteigt,
verdient in Dadaab monatlich mit Grundgehalt plus Zuschüsse etwa 5000
Euro. Inbegriffen ist darin eine Gefahrenzulage. In den vergangenen
Jahren war es immer wieder zu Entführungen von Mitarbeitern gekommen.
Auch explodierten mehrfach Sprengsätze unter Konvois von
Hilfsorganisationen.

Das Gelände, auf dem neben UNHCR ein weiteres Dutzend anderer
Organisationen ihre Büros und Unterkünfte haben, ist militärisch
abgeriegelt. Besucher werden mit Metalldetektoren abgesucht, ihre
Taschen durchsucht, Fahrzeuge auf Sprengsätze kontrolliert.

Hinzu kommt die psychische Belastung. Zwischen zwei und vier Fällen
nimmt Rezk täglich auf. Je nach Größe der Familien sind das bis zu 30
Menschen, deren Schicksale er dokumentiert. Geschichten über Gewalt,
Hunger, Tod und Hoffnungslosigkeit gehören zum Alltag.

Man gewöhne sich daran, meint Rezk. Wird es zu normal, weiß er, dass
es Zeit zum Abschalten ist. Alle sechs Wochen müssen UN-Mitarbeiter
daher für eine Woche raus aus Dadaab. «R&R» – rest and recuperation
(übersetzt: Ruhe und Erholung) heißt das im Fachjargon.

«Was man braucht, ist Interesse, Engagement, Neugier und viel
kulturelle Sensibilität», erläutert Kurat. Dafür bekäme man eine
sinnstiftende Aufgabe.

Rezk kann das bestätigen. «Wenn dir irgendjemand in diesem Feld sagt,
dass er niemals Zweifel habe, dann lügt er», sagt Rezk. Doch am Ende
ist er von seinem Job überzeugt. Er fühle sich seiner Arbeit mit
Flüchtlingen verpflichtet. «Was sollte ich sonst tun?»

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