SDS-newsline Onlinezeitung

Handwerk trifft Kochkunst: Fleischer haben viele Talente Von Tom Nebe

| Keine Kommentare

Wurst, Kotelett, Hack: Auf Fleisch können viele Menschen nicht
verzichten. Um es herzustellen, müssen Fleischer aber mehr können,
als mit Messer und Fleischwolf zu hantieren. Immer häufiger schwingen
sie am Arbeitsplatz auch den Kochlöffel.

Berlin (dpa/tmn) – Seine Arbeit beginnt Felix Wendlandt mit einer
Aufgabe, die man von einem Fleischer nicht unbedingt erwarten würde.
Er rechnet. Nachdem Fleischwolf, Füllmaschine und andere Geräte, die
für die Produktion der Wurst gebraucht werden, zusammengesetzt sind,
beginnt die Kalkulation. Wie viel Salz, Pfeffer und Gewürze braucht
es für die geplanten Wurstmengen?

Wendlandt kennt die Rezepte und muss die benötigten Mengen
entsprechend hochrechnen und abwiegen. Fehler sind nicht erlaubt.
Kommt zu viel Salz in die Fleischmischung, ist die ganze Produktion
unbrauchbar. Versalzene Würste will ja keiner essen. Der 32-Jährige,
der bei der Berliner Fleischerei Kluge ausgebildet wird, schaut aus
dem Grund lieber zweimal auf die Zahlen der Waage.

Wendlandt ist im zweiten Lehrjahr. Seine aktuelle Station ist die
Produktion. Dort ist es meist kühl, die Temperatur liegt bei circa
zehn Grad. Das Fleisch darf nicht zu warm werden, sonst können sich
Keime bilden. Außerdem kann austretendes Fett den Fleischwolf
ungewollt schmieren. Nur bei Kochwurst darf es im Produktionsraum
wärmer sein. Richtig frisch ist es dagegen in den Kühlräumen, wo das
Fleisch gelagert wird. Zwei bis vier Grad herrschen dort, damit
Mikroorganismen keine Chance haben.

Um Fleischer zu werden, kommt es aber nicht darauf an, Kälte
aushalten zu können. Andere Dinge zählen mehr. Handwerkliches
Geschick etwa: Beim Zerlegen von Schweinehälften kommen Messer, Sägen
und Beile zum Einsatz. Den richtigen Umgang damit lernen Azubis zwar,
sagt Klaus Gerlach, Obermeister der Berliner Fleischer-Innung. Aber
eine gewisse Begabung ist von Vorteil. Wer Ekel vor Fleisch
empfindet, für den ist dieser Beruf natürlich nichts.

Fleischer begleiten das tote Tier ab der Schlachterei bis zur
Verkaufstheke: Sie zerlegen es, stellen Wurst, Hackfleisch oder
Pökelware aber auch Feinkostsalate her, beraten Kunden und kochen
sogar Mittagessen. «Es ist ein abwechslungsreicher Beruf, bei dem man
viel über Lebensmittel lernt», sagt Wendlandt, der nach dem Gesellen
gerne noch den Meister machen möchte.

Dem Azubi gefällt die Mischung aus Anpacken und Kreativität. Beim
Kreieren neuer Wurstsorten ist erstmal alles erlaubt. Lammbratwurst
mit Ingwer und Minze oder Sushi-Wasabi-Bratwurst – das sind nur zwei
Kombinationen, bei denen er schon mitgearbeitet hat. «Das Wurstmachen
macht richtig Spaß.» Zu den Dingen, die weniger Spaß machen, zählt
das Putzen. Jeden Tag müssen alle Geräte und Arbeitsflächen
geschrubbt werden. Spezialreiniger lösen Eiweiße und Fette auf. «Das
ist ein großer und wichtiger Teil der Arbeit und muss einfach gemacht
werden.» Wo Fleisch verarbeitet wird, darf kein Schmutz sein.

Die duale Ausbildung in Betrieb und Berufsschule dauert drei Jahre.
Eine bestimmte Schulbildung ist nicht vorgeschrieben. «Mindestens ein
Hauptschulabschluss wäre aber schön», sagt Gerlach. Wie die Statistik
zeigt, hat ein Großteil der Auszubildenden einen Hauptschulabschluss.

Die Vergütungen schwanken. Laut Deutschem Fleischer-Verband bekommen
Azubis im ersten Lehrjahr zwischen 400 und 700 Euro. Bis zum dritten
Lehrjahr steigt ihr Verdienst auf 600 bis 1000 Euro. Die Erhebungen
des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) für den Westen gehen in
eine ähnliche Richtung. Im Osten dagegen verdienen Fleischer-Azubis
laut BIBB im Durchschnitt viel weniger: Demnach gibt es für sie im
ersten Lehrjahr 310, im dritten Lehrjahr 465 Euro.

Nach der Lehre können Fleischer nicht nur ihren Meister machen. Sie
können sich etwa zum Verkaufsleiter im Nahrungsmittelhandwerk oder
zum Lebensmitteltechniker weiterbilden.

In der Lehre werden Fleischer nicht nur Fachleute für die
Fleischstücke, sondern auch für deren Zubereitung. Sie müssen Kunden
beraten können, wie die das Fleisch weiterverarbeiten sollen. «Ich
kenne keinen Fleischer, der nicht kochen kann», sagt Gerlach.

Auch Wendlandt kocht leidenschaftlich gerne. Das war einer der
Gründe, warum er sich für diese Ausbildung entschieden hat. Kochen
und besondere Würste und Fleischstücke herstellen sind dann auch die
Wahlqualifikationen, für die er sich entschieden hat. Insgesamt
stehen Fleischer-Azubis sechs solcher Module zur Wahl, von denen sie
zwei belegen müssen. Zu den weiteren Wahlmodulen zählen etwa
Schlachten oder Veranstaltungsservice.

«Es ist immer verbreiteter, dass im Geschäft noch ein Imbiss oder
Partyservice betrieben wird», sagt Eva Rothe vom BIBB. Das Schlachten
zum Beispiel sei ein Wahlmodul, da längst nicht mehr in allen
Betrieben Tiere geschlachtet werden. Oft holen Fleischer die
Tierkörper frühmorgens vom Schlachter ab und verarbeiten sie dann
weiter.

Dass für seine Arbeit Tiere sterben, ist Wendlandt bewusst. Es sei
wichtig, dass man Fleisch als Rohstoff mit Respekt behandelt, sagt
er. «Da hat schließlich ein Tier sein Leben dafür hergegeben.»

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.