Ein Professor gibt die Idee eines Doktoranden in einem Paper als
seine eigene aus. Ein Kollege hält einen Vortrag mit Folien – doch
die sind gar nicht von ihm. Ideenklau kommt im Beruf immer wieder
vor. Wie kann man sich wehren?
Bayreuth/Köln (dpa/tmn) – Jonathan P.* hatte von Kollegen oft gehört,
dass es an der Hochschule Ideenklau gibt. Trotzdem hat es ihn kalt
erwischt, als er auf einmal selbst davon betroffen war. «Ich war
entsetzt, als ich den Aufsatz des Professors in der Zeitschrift
gesehen habe», erzählt er. «Das waren meine Ideen.»
Jonathan P. ist promovierter Geisteswissenschaftler. Vor zwei Jahren
hat er an einem internationalen Workshop mit etwa 20 Personen
teilgenommen. Solche Veranstaltungen sind in seiner Disziplin sehr
verbreitet. Professoren laden zum Beispiel dazu ein. Es gibt für die
Workshops ein Oberthema, und Wissenschaftler bewerben sich mit einem
Paper – also einem Aufsatz – zum Thema. Dann wird zwei oder drei Tage
gemeinsam über diese Paper diskutiert.
Jonathan P. war in seinem Aufsatz aufgrund seiner empirischen Befunde
zu einer Schlussfolgerung gekommen, die er mit einem Begriff prägte.
«Den Begriff gab es so vorher nicht», erklärt er. Wenn man danach im
Netz sucht, landet man bei Aufsätzen von ihm. «Mein Begriff und die
Schlussfolgerung kamen bei den anderen Teilnehmern gut an», erzählte
Jonathan P. Er freute sich, dass er ein gutes Konzept hat.
Etwa zwei Jahre nach der Konferenz erschien eine Sonderedition einer
renommierten Zeitschrift – mit einigen bei der Konferenz besprochenen
Papern. Jonathan P. hatte seinen Aufsatz schon vorher bei einer
anderen Zeitschrift untergebracht. Er war deshalb nicht dabei. Das
Journal las er jedoch mit Interesse. Und er stellte fest: Ein auf dem
Workshop dabei gewesener Professor hatte sein Paper überarbeitet –
und nun verwendete er Jonathan P.’s Schlussfolgerung und Begriffe,
nur ohne auf ihn zu verweisen. «Ich hatte keine Ahnung, wie ich damit
umgehen soll», erzählt er.
Ideenklau ist gerade in kreativen Berufen immer wieder ein Thema.
Dort gibt es häufig die Angst, dass ein anderer aus dem eigenen
Einfall Kapital schlägt. Doch es passiert längst nicht nur im
kreativen Bereich oder wie bei Jonathan P. an der Hochschule. Es
geschieht auch in allen anderen Berufen. Da ist zum Beispiel der
Kollege, der im Teammeeting die Idee eines anderen als seine ausgibt.
Da ist der Chef, der die Idee des Praktikanten als seine an den
Kunden verkauft.
Und viele haben eine diffuse Angst: Nach einer repräsentativen
Umfrage des Marktforschungsinstituts Toluna befürchten vier von zehn
Arbeitnehmern (44 Prozent), dass Kollegen sich während einer
Teamarbeit fremde Ideen zu eigen machen und diese später als ihre
eigenen verkaufen. Die Umfrage wurde im Auftrag des
Personaldienstleisters Metaberatung gemacht.
Doch was macht man in so einem Fall? Zum einen gibt es durchaus
Möglichkeiten, rechtlich gegen Ideenklau vorzugehen. «Die Idee an
sich ist zwar erst einmal frei», sagt Ole Jani, Rechtsanwalt und
Experte für Urheberrecht. Das Recht kennt allerdings Möglichkeiten,
Erfindungen zu schützen. Im Fall von technischen Erfindungen gibt es
die Option, ein Patent anzumelden. Der Patentinhaber ist dann in der
Regel für 20 Jahre dazu berechtigt, anderen die Nachahmung zu
untersagen.
Außerdem gibt es das Urheberrecht, das «persönliche geistige
Schöpfungen» schützt. Das kann zum Beispiel ein Buch, ein Bild oder
ein Song sein. Ist die Idee urheberrechtlich geschützt, muss der
Beklaute dann aber immer noch nachweisen, dass er die geistige
Schöpfung zuerst hatte. Und das ist häufig schwer.
Eine Möglichkeit ist, die eigene geistige Schöpfung beim Notar zu
hinterlegen, erklärt Rechtsanwalt Jani. Im Fall eines Romans könnte
man zum Beispiel dort das Dokument hinterlegen. Auf diese Weise lässt
sich anhand des Datums der Hinterlegung nachweisen, ab wann das Werk
in der Welt war. Kann der Inhaber des geistigen Eigentums dadurch den
Beweis antreten, dass er die Idee zuerst hatte, kann er im Fall von
Ideenklau auf Unterlassung klagen – und gegebenenfalls sogar
Schadenersatz verlangen, wenn jemand anderes seine geistige Schöpfung
benutzt oder sich zu Unrecht als deren Autor ausgibt.
Doch kaum jemand wird mit dem Anwalt drohen wollen, wenn der Kollege
im Meeting plötzlich die eigene Idee als seine verkauft.
Karriereberater Thorsten Knobbe rät in dem Fall, den Ideendieb sofort
in die Schranken zu weisen. «Ich würde sofort zum Angriff übergehen
und denjenigen zur Rede stellen», erklärt er. Zeigt das Gegenüber
sich nicht einsichtig, empfiehlt er, zum Mentor oder sogar zum Chef
zu gehen. Dieses Vorgehen kommt aber natürlich an seine Grenzen, wenn
der Mentor oder der Chef selbst der Ideendieb ist.
So ähnlich ist es bei Jonathan P.: Den Professor zu kontaktieren, ist
für ihn keine Option. Er glaubt nicht, dass das etwas bringt. Doch er
will auch nicht einfach schweigen. Denn er ärgert sich, und er
befürchtet für sich einen Schaden. «In der Wissenschaft ist es
wichtig, zu zeigen, dass man zu einer Debatte beigetragen hat», sagt
er. Jonathan P.’s Angst ist, dass der Professor in den nun folgenden
Debatten die Lorbeeren für seine Schlussfolgerung und die
Begrifflichkeiten bekommt und er als Urheber der Leistung untergeht.
Ihm bleibt außerdem noch eine weitere Möglichkeit: In der
Wissenschaft gibt es an fast allen Hochschulen Ombudspersonen, an die
sich Wissenschaftler bei wissenschaftlichem Fehlverhalten wenden
können. Das Gespräch bleibt auf Wunsch anonym. Sie können zwischen
den Parteien schlichten.
Neben den Ombudsleuten an den Hochschulen ist außerdem bei der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) der sogenannte Ombudsman für
die Wissenschaft angesiedelt, den Forscher hochschulübergreifend
kontaktieren können. Das kann zum Beispiel interessant sein, wenn die
eigene Hochschule sehr klein ist und man Angst hat, dass die
Beschwerde sonst bekannt wird. «An den Ombudsman für die Wissenschaft
kann man sich auch anonym nur mit einer E-Mail wenden, wenn man erst
einmal eine Einschätzung haben will», sagt Prof. Stephan Rixen,
Sprecher des Gremiums.
Dabei gibt es durchaus Felder in der Wissenschaft, in denen es
häufiger zu Ideenklau-Problematiken kommt, erzählt Prof. Rixen aus
seiner Praxis. So ist es bei Aufsätzen in den Naturwissenschaften zum
Beispiel Usus, dass bei mehreren Autoren jene an erster und letzter
Stelle genannt werden, welche die meiste Arbeit für den Aufsatz
geleistet haben. Hier komme es immer wieder zu Streitereien darüber,
wer an erster und letzter Stelle genannt werden muss.
Kritiker bemängeln an dem Ombudsman, dass ihm in letzter Konsequenz
die Sanktionsmöglichkeiten fehlen. Der Ombudsman für die Wissenschaft
kann bei Hochschulen oder bei der DFG eine Sanktionierung nur
anregen, die DFG entscheidet dann etwa über eine Antragssperre.
Eigene Sanktionsmacht hat der Vermittler nicht.
Jonathan P. hat sich in seinem Fall für einen dritten Weg
entschieden. Er hat sich an die Macher der Zeitschrift gewandt, die
den Aufsatz des Professors publiziert haben. Das sind dieselben
Menschen, die auch den internationalen Workshop organisiert haben. Er
fordert, dass zumindest die Online-Version der Zeitschrift korrigiert
und er im Aufsatz des Professors korrekt zitiert wird. Außerdem
wünscht er sich eine Stellungnahme des Professors. Jetzt wartet er
auf eine Antwort von den Zeitschrift-Machern.