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Erst «Bildungstrend», dann PISA – Schulpolitik im Test-Stress Von Werner Herpell, dpa

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Spannende Wochen für die Bildungspolitik: An diesem Freitag wird ein
bundesweiter Schülervergleichstest präsentiert, Anfang Dezember die
mit noch mehr Nervosität erwartete neue PISA-Studie. Angesichts teils
enttäuschender Ergebnisse ist Streit in den Ländern programmiert.

Berlin (dpa) – In Baden-Württemberg begann das Hauen und Stechen um
die Schulpolitik schon, bevor der Absturz in der Kompetenz-Tabelle
überhaupt offiziell war. Dort gerieten sich Regierung und Opposition
am Mittwoch über absehbar miese Noten beim «IQB-Bildungstrend» für
Deutsch und die Fremdsprachen heftig in die Haare – also noch bevor
die Ergebnisse am Freitag von der Kultusministerkonferenz (KMK) in
Berlin präsentiert werden. Die Schul(d)frage dürfte nicht das letzte
Schwarzer-Peter-Spiel in den Ländern sein. Die Debatte liefert auch
einen Vorgeschmack auf die große PISA-Präsentation im Dezember.

Was steht denn drin in der neuen Studie «IQB-Bildungstrend 2015»?

Die Bayern sind wie schon vor acht Jahren alles in allem
Spitzenreiter bei den Vergleichstests für die Schulfächer Deutsch und
Englisch in den 9. Klassen. Dahinter überraschen die Aufsteiger
Schleswig-Holstein und Sachsen, großer Verlierer ist tatsächlich das
2008/2009 zweitplatzierte Baden-Württemberg, Schlusslichter bleiben
Bremen und Berlin. Die Studie – eine regionale Ergänzung der
Kultusministerkonferenz (KMK) zum internationalen PISA-Test – lag der
Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag in Auszügen vor.

Was sagt das Ergebnis über die Schulpolitik der Länder aus?

Genau das wird in den nächsten Tagen Stoff für Debatten sein – wenn
auch nicht immer so hitzig wie im Absteigerland Baden-Württemberg.
Das CSU-regierte, in der Bildungspolitik stark leistungsorientierte
Bayern dürfte hervorheben, dass es sich in Deutsch wieder durchweg
unter den besten Drei platziert hat und auch in Englisch weit vorn
liegt. Das CDU-geführte Sachsen und das rot-grüne Schleswig-Holstein
können aber ebenfalls für ihre Bildungspolitik trommeln. Das Land im
Norden schafft insgesamt den deutlichsten Sprung nach vorn. In
Englisch haben die Ost-Bundesländer immer noch Rückstände aufzuholen.
Bisher wurde das Dauer-Manko damit erklärt, dass es wegen der
untergeordneten Rolle des Englischunterrichts in der DDR dort weniger
ausgebildete Lehrer gebe. Aber das ist nun schon über 25 Jahre her.

Was machen die üblichen «Sorgenkinder»?

In beiden Bereichen – Deutsch und Englisch – liegen weiterhin die
Stadtstaaten Bremen und Berlin mit vielen jungen Migranten an ihren
Schulen in der IQB-Tabelle hinten. Und ein großes Flächenland wie
Nordrhein-Westfalen ist in puncto Deutsch-Kompetenzen auch weiterhin
enttäuschend – für die Düsseldorfer CDU/FDP-Opposition willkommene
Munition gegen Rot-Grün. SPD-regierte Länder wie Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, auch das von der Linken
geführte Thüringen liefern derweil eine recht solide Performance.

Warum ist der IQB-Report politisch so brisant?

Weil Schulbildung in allen 16 Bundesländern ein Aufregerthema für die
ganze Familie ist. Ein schwaches Abschneiden in solchen
Kompetenzvergleichen brandmarkt jede Opposition genüsslich als Indiz
für das Versagen von Bildungsbehörden oder gar der Landesregierung.
So steht jetzt in Baden-Württemberg Grün-Schwarz unter Zugzwang, weil
die Neuntklässler im Ländle beim Test so ins Schlingern geraten sind.
Pikanterweise klagt darüber auch die SPD – sie hatte indes bis März
unter Grün-Rot jahrelang die Bildungspolitik verantwortet. Die
schlechte Entwicklung habe jedoch schon die CDU-geführte Regierung
vor 2010 verschuldet, heißt es bei den Sozialdemokraten.

Wie viele und welche Schüler nahmen an dem aktuellen Vergleich teil?

Nach IQB-Angaben waren es mehr als 37 000 Mädchen und Jungen der 9.
Jahrgangsstufe aus über 1700 Schulen in allen 16 Bundesländern. Die
Schulen wurden nach einem Zufallsverfahren ermittelt, ebenfalls per
Zufall wurde eine Teilnehmerklasse bestimmt. Die Datenerhebung lief
von April bis Juni 2015. Überall ging es um Kompetenzen in Deutsch
und Englisch – in Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, dem Saarland,
Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zudem um Französisch.

Erst die IQB-Studie – dann PISA. Was kommt da noch auf uns zu?

In rund sechs Wochen, am 6. Dezember, ist es soweit: Dann präsentiert
die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) Ergebnisse ihres sechsten PISA-Vergleichs seit dem Jahr 2000.
Für 10 000 Schüler in Deutschland und eine halbe Million weltweit
endete der Test für Naturwissenschaften, Mathematik und Lesekompetenz
bereits im Mai 2015. Die Auswertung war sehr aufwendig, denn die OECD
will sich für ihre enorm beachteten Erkenntnisse nichts nachsagen
lassen. Der «PISA-Schock» von vor 15 Jahren wirkt hierzulande immer
noch nach. In der ersten Studie schnitten deutsche 15-Jährige
miserabel ab, zudem wurde ein beschämend enger Zusammenhang zwischen
sozialer Herkunft und Bildungschancen attestiert. In den PISA-Tests
2003, 2006, 2009 und 2012 ging es bergauf, die Bildungsreformen
zeigten Erfolg. Nun hoffen alle, dass dieser Trend anhält.

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