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Der Hörsaal im Netz – So funktionieren MOOCs

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Für manchen Experten galten sie vor ein paar Jahren als die Zukunft
des Lernens. Inzwischen hat sich die Aufregung um sogenannte MOOCs
wieder gelegt. Für Neugierige sind die Seminare im Netz aber trotzdem
weiter einen Blick Wert – gerade dann, wenn man nicht studiert.

Potsdam (dpa/tmn) – Es gibt Leute, die studieren, ohne je eine Uni
von innen zu sehen. Neu ist das nicht. Das Prinzip Fernstudium gibt
es schließlich schon seit Jahren. Und Hochschulen stellen ihre
Vorlesungen auch nicht erst seit gestern ins Netz, ob als Video oder
Text. Das Prinzip der MOOCs ist dagegen etwas jünger. Die Abkürzung
steht für Massive Open Online Course: Große und offene Kurse im
Internet, für Studenten und andere Wissensdurstige.

Im Gegensatz zur reinen Online-Vorlesung funktionieren die Kurse wie
eine richtige Lehrveranstaltung, mit allem Drum und Dran: Jeder Kurs
beginnt nicht irgendwann, sondern zu einem festgelegten Termin, und
dauert immer ein paar Wochen. Üblich sind sechs bis zehn. Jede Woche
gibt es neuen Input von den Dozenten, meistens in Videoform.

Allerdings sollen sich die Teilnehmer nicht nur berieseln lassen:
Übungsaufgaben gehören bei den meisten MOOCs dazu, genau wie ein
Abschlusstest. Zwei bis vier Stunden Arbeitsaufwand müssen die
Online-Studenten dafür pro Woche mindestens einplanen. Außerdem
können sie sich über Foren und ähnliche Systeme miteinander
austauschen und Fragen an den Dozenten stellen.

Für Professor Christoph Meinel ist es vor allem diese relativ feste
Struktur, die MOOCs interessant macht: «Das reine Ins-Netz-Stellen
funktioniert bei einer Minderheit an Nutzern, die autodidaktisch
begabt sind – alle anderen brauchen eine Gruppe, die sie mitzieht,
und die Intensität fester Termine.» Meinel ist Direktor des Potsdamer
Hasso-Plattner-Instituts, einem der größten Anbieter von MOOCs in
Deutschland. 35 000 Zertifikate für erfolgreich abgeschlossene Kurse
hat das Institut nach eigenen Angaben schon ausgestellt.

Neben den Potsdamern, die ihre Kurse auf der Plattform OpenHPI ins
Netz stellen, gibt es unter anderem noch die privatwirtschaftlichen
Angebote Iversity und OpenCourseWorld. Beide konzentrieren sich vor
allem auf Themen aus der BWL, auf OpenHPI steht dagegen die Welt der
IT im Mittelpunkt. Etwas breiter ist das Themenspektrum auf Mooin,
der MOOC-Plattform der Fachhochschule Lübeck: Hier gibt es zum
Beispiel auch Onlinekurse über Videoschnitt, Geschichte oder
Sexualität.

Abseits dieser Plattformen existieren in Deutschland noch ein paar
andere MOOCs verschiedener Unis und Fachhochschulen. Einen Überblick
gibt zum Beispiel die Suchmaschine von OpenEducationEuropa. Insgesamt
ist das Angebot aber eher übersichtlich. Dabei gab es um die
Online-Kurse vor ein paar Jahren noch einen riesigen Hype: Die «New
York Times» erklärte 2012 sogar zum «Jahr der MOOCs» und prophezeite
dem Seminar im Netz eine glorreiche Zukunft. «Die Erwartungen waren
vielleicht ein bisschen überzogen», sagt Klaus Wannemacher vom
HIS-Institut für Hochschulentwicklung in Hannover. «Das hat sich
inzwischen auf einem normalen Niveau eingependelt.»

Für eine Eintagsfliege hält Wannemacher das Thema allerdings nicht.
Gemeinsam mit seiner Kollegin Imke Jungermann hat er untersucht, wie
es um MOOCs an deutschen Hochschulen bestellt ist. Das Ergebnis:
Viele Hochschulen halten das Thema für sehr wichtig – allerdings
nicht zwingend als Alternative zum klassischen Studium, sondern als
Ergänzung zum regulären Angebot. «Viele Hochschulen nutzen das zum
Beispiel, um sich zu internationalisieren», sagt Wannemacher. Viele
MOOCs gibt es daher auch nur auf Englisch.

Auch für das Hasso-Plattner-Institut ist die Zielgruppe gar nicht
unbedingt der klassische Student. «In der Mehrzahl sind unsere Nutzer
interessierte Berufstätige, die Schritt halten wollen», sagt
Christoph Meinel. «Vor allem in der IT-Branche gibt es ja ständig
neue Entwicklungen.»

Und auch darüber hinaus gibt es am OpenHPI und auf anderen
Plattformen viele Kurse, die sich gezielt an Wissensdurstige abseits
der Uni richten, vom Einsteigerkurs für IT-Sicherheit bis zu Tipps
rund um die Unternehmensgründung. «Wir wollen da auch noch mehr
ausprobieren, um besser zu verstehen, was funktioniert und was
nicht», erklärt Meinel.

Ausprobieren lohnt sich daher auch für Nutzer: Schließlich sind MOOCs
grundsätzlich gratis, Kosten entstehen höchstens durch Lehrbücher
oder andere Arbeitsmaterialien. Ansonsten brauchen Teilnehmer fürs
Mitlernen nur Zeit, Neugier und einen halbwegs aktuellen Computer mit
schnellem Internetzugang. Dafür gibt es bei einem erfolgreichen
Abschluss allerdings nur ein Zertifikat für den Lebenslauf – Bachelor
oder Master wird auf diesem Wege niemand.

Grund dafür ist, dass auch der Abschlusstest am heimischen PC
stattfindet, so Meinel. «Da können wir nicht überprüfen, ob der
Teilnehmer die Aufgaben tatsächlich eigenständig gelöst hat.»
Allerdings will das OpenHPI ab Herbst 2016 auch anbieten, seine
Online-Studenten beim Lösen der Aufgaben per Webcam zu überwachen.
Dafür soll es dann zwar auch noch keinen Abschluss, aber wenigstens
Creditpoints geben.

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