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Calliope mini und SmartSchool: Wie Klassenzimmer digital werden Von Birgit Reichert, dpa

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An deutschen Schulen gibt es in Sachen IT großen Nachholbedarf. Ein
neuer Mini-Computer für alle Drittklässler könnte ein guter Anfang
sein. Er wird beim nationalen IT-Gipfel für Schlagzeilen sorgen.

Saarbrücken (dpa) – Die Eintrittskarte in die digitale Welt passt in
eine Kinderhand. Sie ist ein Mini-Computer auf einer Platine, der ein
bisschen aussieht wie ein sechseckiger Stern – und wird bald in immer
mehr Ranzen von Grundschulkindern zu finden sein. «Calliope mini»
heißt das Teil, das Drittklässlern in Deutschland spielerisch
beibringen soll, wie IT funktioniert. Und nebenbei Lust aufs
Programmieren machen. «Es soll ein alltägliches Tool werden, das man
ganz selbstverständlich im Unterricht einsetzt – wie einen Zirkel,
sagt der Kölner Unternehmer Stephan Noller, der den Kleinstcomputer
mit Mitstreitern in einer gemeinnützigen GmbH entwickelt hat.

Beim nationalen IT-Gipfel am 16. und 17. November im Saarland wird
«Calliope» erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Neuerung
passt da hin, denn der Gipfel mit rund 1000 erwarteten Teilnehmern
nimmt in diesem Jahr digitale Bildung in den Fokus. Für Noller, der
im Beirat Junge Digitale Wirtschaft des Bundeswirtschaftsministeriums
sitzt, ist klar: «Unsere heutigen Schulkinder werden später massiv
von IT-Techniken umgeben sein. Je früher sie digitale Inhalte lernen,
desto besser.»

Mit «Calliope» sollen die Kinder anders als bei Smartphones und
Laptops eine «zugängliche Technik» bekommen. Sie sollen lernen, wie
ein Computer aufgebaut ist, wie er funktioniert und wie man Programme
erstellt: Ein Tore-Zähler für den Kicker zu Hause, ein Schrittzähler
für Sport oder den Bau eines Roboters. «Wir wollen, dass die Kinder
sich im Umgang mit dieser Technik souverän fühlen», sagt Noller, der
das Board an einer Kölner Grundschule erarbeitet hat.

Es hat 25 rote Lämpchen und zwei programmierbare Buttons, einen Lage-
und Bewegungssensor plus Kompass und kann über ein Bluetooth-Modul
mit anderen Geräten kommunizieren. Ein kleiner Bildschirm,
Lautsprecher und Mikro gehören auch dazu.

Der Mini-Computer wird seit kurzem bereits an zwei Grundschulen im
Saarland getestet. Im Februar 2017 soll das Board dann für alle
dritten Klassen an der Saar verfügbar sein, kündigt der saarländische
Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) an. Voraussetzung sei, dass
die Lehrer vorher Schulungen gemacht haben. Die Produktionskosten
eines «Callope mini» liegen zwischen 10 und 15 Euro.

Beim Saarland wird es nicht bleiben, sagt Noller. Es gebe bereits
konkrete Vorbereitungen mit Bremen – und Gespräche mit etlichen
anderen Bundesländern, darunter auch mehreren großen. «Wir wollen mit
der Initiative das Bildungssystem in seiner Breite erreichen. Es soll
keines dieser Leuchtturmprojekte werden.»

Schließlich seien alle Kinder betroffen: «Sie werden in 20 Jahren zu
großen Teilen neue Berufe lernen müssen.» Er geht davon aus, dass in
den nächsten ein bis zwei Jahren der Mini-Computer alle Grundschulen
erreicht hat. Weil Digitales so wichtig ist, fordert Noller zudem die
Einführung eines neuen Schulfaches: Digitalkunde.

Beim IT-Gipfel fällt auch der Startschuss für das Projekt
«SmartSchool» an zwei weiterführenden Schulen im Saarland. «Die
Konzepte sehen eine Digitalisierung im kompletten Schulablauf vor»,
sagt die Beauftragte der Staatskanzlei für Hochschulen, Wissenschaft
und Technologie, Susanne Reichrath. Vom digitalen Klassenbuch bis zur
digitalen Mensa. Auch die «SmartSchool» solle ein «bundesweites
Vorzeigeprojekt» werden, meint sie.

Um Klassenzimmer digital fit zu machen, hat Bundesbildungsministerin
Johanna Wanka (CDU) gerade ein Fünf-Milliarden-Euro-Programm
geschnürt: Es soll über einen Zeitraum von fünf Jahre an die rund 40
000 deutschen Schulen fließen, um diese technisch aufzurüsten: Mit
Breitband, W-Lan und Geräten.

Digitale Bildung müsse in der Schule beginnen und sich durch das
ganze Berufsleben fortsetzen, fordert der Hauptgeschäftsführer des
Digitalverbands Bitkom, Bernhard Rohleder. Dafür müsse man an Schulen
aber «zunächst das Henne-Ei-Problem lösen». Oft fehlten technische
Grundausstattung und Knowhow der Lehrer. Der eine sage: Ich kann
nicht unterrichten, weil mir die Technologie fehlt, der andere sage:
Die Lehrer wissen gar nicht, wie sie damit umgehen sollen, also kann
man sich das sparen.

Rohleder fordert daher, dass in einem ersten Schritt die Technologien
«in allen Schulen flächendeckend» ausgerollt werden und dann digitale
Kompetenzen standardmäßig in die Lehrerausbildung eingebaut werden.
Der Bitkom steht für die digitale Wirtschaft: Der Verein vertritt
2400 Unternehmen mit bundesweit fast einer Million Beschäftigten, die
150 Milliarden Euro im Inland umsetzen. «In 10, 15 oder 20 Jahren
wird der Umbau der bislang primär analogen Wirtschaft zu einer
digitalen Wirtschaft weitgehend abgeschlossen sein», sagt er.

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