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Bootsführer und Bordmechaniker: Binnenschiffer haben viel Abwechslung

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Binnenschiffer sind viel auf den Wasserstraßen in Deutschland und dem
angrenzenden Ausland unterwegs – aber kein Arbeitstag gleicht dem
anderen. Sie müssen Techniker sein, nautisches Verständnis haben und
einen Haushalt führen können.

Duisburg (dpa/tmn) – Julian Schnieders ist schon früh auf ein Schiff
gekommen – zarte sechs Jahre alt war er, als der Onkel ihn auf seinem
Binnenschiff mitnahm. «Das muss mich in jungen Jahren wohl so
fasziniert haben, dass ich immer wieder und länger mitgefahren bin»,
sagt der heute 19-Jährige, der im dritten Jahr seiner Ausbildung zum
Binnenschiffer ist. Doch der Onkel ging in den Ruhestand, als Julian
13 war – und dann war auch die Zeit des Mitschipperns erstmal zu
Ende. «Ich hatte aber immer das Bedürfnis, wieder auf einem Schiff zu
fahren und zu arbeiten.» Darum hat er mit 15 ein Praktikum bei einer
Reederei auf einem Tankschiff gemacht und dort schließlich mit seiner
Ausbildung begonnen.

Doch Firma und Azubi passten nicht recht zueinander, Schnieders zog
die ganze Berufswahl in Zweifel. Dann aber fand er einen anderen
Ausbildungsplatz auf einem modernen Tankschiff eines
Familienbetriebs, die Chemie stimmte. «Seither habe ich die
Faszination für den Beruf wiedergewonnen», sagt der junge Mann, der
an Bord der «Charisma» jetzt regelmäßig über die Flüsse und Kanäle in
Deutschland und dem angrenzenden Ausland fährt.

Und ohne diese Faszination geht es nicht, sagt Volker Müßig. Er ist
der Leiter des Schulschiffes «Rhein», das in Duisburg-Homberg vor
Anker liegt. Dort leben jedes Jahr rund 300 Auszubildende, die im
benachbarten Schiffer-Berufskolleg die theoretischen Blöcke ihrer
Ausbildung machen. Sie werden an Bord des Schulschiffs auf die Arbeit
auf ihren Schiffen vorbereitet, verpflegt und betreut. «Wer
Binnenschiffer wird, der muss diesen Beruf gern machen», sagt Müßig,
der im Vorstand des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt
(BDB) ist. Allerdings habe man auch einen Beruf, der sehr vielseitig
ist, viele Freiheiten mit sich bringt, im besten Fall viele freie
Tage – und der noch dazu gut bezahlt wird.

Auch Julian Schnieders hat bereits Erfahrung mit seinen Schichten –
häufig heißen die 14/14. «Das bedeutet, dass ich zwei Wochen
ununterbrochen an Bord bin und dann zwei Wochen frei habe», erläutert
er. Allerdings bedeutet das auch, dass man nicht jedes Wochenende bei
seinen Freunden oder der Partnerin sein kann. «Das ist gerade für die
jungen Leute ein großes Problem», sagt Müßig. Trotzdem sind die
Arbeitszeiten noch angenehmer als etwa in der Seeschifffahrt, wo die
Schichten in Monaten gezählt werden.

Um die Ausbildung zum Binnenschiffer gut hinter sich zu bringen und
schließlich Teil eines Teams zu werden, müssen die jungen Leute
einiges mitbringen. «Das ist weder ein Job für Mimosen noch für
Egoisten», sagt Müßig. «Wir brauchen Leute mit hoher Sozialkompetenz,
die ein gutes technisches Verständnis haben und bei allem
einspringen, was zu tun ist», sagt Klaus Paulus, der Schulleiter des
Schiffer-Berufskollegs Rhein. Denn man sei mitunter lange allein oder
im kleinen Team unterwegs, muss den Haushalt auf dem Schiff schmeißen
und ist gleichzeitig Schiffsführer und Bordmechaniker.

Dabei kommt es heute nicht mehr so auf die Kraft an wie noch vor ein
paar Jahrzehnten. «Vieles wird inzwischen per Joystick oder
Touchscreen bedient», sagt Azubi Schnieders. Trotzdem vermittelt die
Schule natürlich die Grundlagen dessen, was sich hinter Technik und
Mechanik verbirgt. «Zwar findet vieles in geschlossenen Schränken
statt», sagt Müßig. Trotzdem müsse jeder das Grundsätzliche
verstehen. Der Mix aus Theorie und Praxis ist auch für die Ausbildung
immens wichtig. «Wir haben einen Turnus, nach dem die jungen Leute
ein Mal im Jahr drei Monate lang in der Schule sind und dann wieder
auf ihrem Schiff oder im Ausbildungsbetrieb.» Schnieders findet das
wichtig, um das Gelernte gleich an Bord anzuwenden. «Sonst gerät es
wieder in Vergessenheit.»

Formale Voraussetzungen verlangen die Binnenschiffer nicht. «Früher
war das ein Beruf, der lauter Leute ohne Schulabschluss eingesammelt
hat», sagt Müßig. Das sei schon lange nicht mehr so. «Man muss ein
technisches Grundverständnis mitbringen und die deutsche Sprache
beherrschen», sagt Paulus. Auch Englisch werde immer wichtiger und
abgeprüft. «Aber was sie brauchen, lernen sie hier.» Viele
Auszubildende seien Umschüler – der älteste war 54 Jahre alt. In
einem normalen Jahrgang variiere das Alter zwischen etwa 16 und 30
Jahren. Auch immer mehr Frauen gibt es in der Ausbildung: Ihr Anteil
betrage etwa 10 bis 15 Prozent.

Arbeit gibt es für die Bootsleute auf Passagier-, Güter- oder
Tankschiffen. Auch Fähren und Schlepper können Einsatzorte sein. Die
Binnenschiffer sind für Schiffe und Ladung gleichermaßen
verantwortlich. Sie seien «Maschinisten, Elektriker, Maler und
Hauswirtschafter in einem», sagt Paulus. Das ist genau das, was
Julian Schnieders an dem Job so gut gefällt. «Die Abwechslung macht
es aus.» Und noch einen Vorteil hat die Arbeit: «Man wird auch als
Einzelkind schnell eigenständig.»

Nach der Bootsmannprüfung, wie die Gesellenprüfung heißt, können die
Binnenschiffer neuerdings einen Meister machen. Außerdem gibt es die
Möglichkeit eines dualen Studiums an der Hochschule in Elsfleth. An
der Elbe in Schönebeck gibt es außerdem eine weitere Schule für die
Azubis. Unter den Ausbildungsberufen gehört der Binnenschiffer mit zu
den bestbezahlten, wie das Bundesinstitut für Berufsbildung ermittelt
hat: Sie verdienen durchschnittlich 936 Euro im ersten Jahr, 1071
Euro im zweiten und im dritten schließlich 1208 Euro. Auch die
Jobaussichten sind gut, betont Müßig.

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