Spannende Wochen für die Bildungspolitik: An diesem Freitag wird ein
bundesweiter Vergleichstest in Deutsch und Fremdsprachen präsentiert
– Anfang Dezember die mit noch mehr Nervosität erwartete neue
PISA-Studie. Danach wissen wir, wie fit deutsche Schüler sind.
Berlin (dpa) – In Baden-Württemberg hat das Hauen und Stechen um die
Schulpolitik bereits begonnen. Dort gerieten sich Regierung und
Opposition über mutmaßlich miese Noten fürs Ländle beim
«IQB-Bildungstrend 2015» schon am Mittwoch in die Haare – also noch
bevor die Ergebnisse am Freitag von der Kultusministerkonferenz (KMK)
in Berlin präsentiert werden. Es dürfte nicht das letzte
Schwarzer-Peter-Spiel wegen des bis zuletzt streng unter Verschluss
gehaltenen Ländervergleichstests für Deutsch und Fremdsprachen sein –
ein Vorgeschmack auch auf die große PISA-Präsentation im Dezember.
Warum ist die Studie «IQB-Bildungstrend» politisch so brisant?
Weil Schulbildung in allen 16 Bundesländern ein Aufregerthema für die
ganze Familie ist. Ein schwaches Abschneiden in Kompetenzvergleichen
brandmarkt jede Opposition genüsslich als Indiz für das Versagen von
Bildungsbehörden oder gar der Landesregierung. So steht jetzt in
Baden-Württemberg Grün-Schwarz unter Zugzwang, weil die Neuntklässler
laut Report des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen
(IQB/Berlin) dramatisch ins Schlingern geraten sein sollen.
Pikanterweise klagt darüber besonders laut die SPD – sie hatte indes
bis März unter Grün-Rot jahrelang die Bildungspolitik verantwortet.
Die schlechte Entwicklung habe jedoch schon die CDU-geführte
Regierung vor 2010 verschuldet, heißt es bei den Sozialdemokraten.
Worum geht es beim «IQB-Bildungstrend»?
Diesen bundesweiten Ländervergleich gibt es seit 2008/09, er ist
seitdem praktisch das regionale deutsche Pendant zum internationalen
PISA-Test. Vor acht Jahren wurden Kompetenzen der 9. Klasse in
Deutsch und Fremdsprachen geprüft – daher ist für diese Fächer jetzt
ein Langzeitvergleich möglich. Weitere Bundesländertests folgten 2011
(Deutsch und Mathematik in der 4. Klasse), 2012 (Mathematik und
Naturwissenschaften in der 9. Klasse) und 2015 – diese Ergebnisse
werden nun also veröffentlicht. Der Test zum «IQB-Bildungstrend 2016»
für Deutsch und Mathematik bei Viertklässlern lief von Mitte Mai bis
Mitte Juli und wird im Herbst 2017 präsentiert.
Wie viele und welche Schüler nahmen an dem jetzt aktuellen Test teil?
Nach IQB-Angaben waren es mehr als 37 000 Mädchen und Jungen der 9.
Jahrgangsstufe aus über 1700 Schulen in allen 16 Bundesländern. Die
Schulen wurden nach einem Zufallsverfahren ermittelt, ebenfalls per
Zufall wurde eine Teilnehmerklasse bestimmt. Die Datenerhebung lief
von Mitte April bis Mitte Juni 2015. In allen Ländern ging es um die
Kompetenzen in Deutsch und Englisch – in Baden-Württemberg, Berlin,
Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland
zusätzlich um Französisch. Geprüft wurden in Deutsch «Lesen – mit
Texten und Medien umgehen», «Sprechen und Zuhören» sowie «Schreiben»,
in den Fremdsprachen gab es Aufgaben zum Lese- und Hörverstehen.
Wie ging der vergleichbare Deutsch/Fremdsprachen-Test 2008/09 aus?
In beiden Bereichen lag das im Schulbereich sehr leistungsorientierte
Bayern teilweise deutlich vorn, dahinter meist Baden-Württemberg. Im
Fach Deutsch rangierten die Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen
mit ihren zahlreichen «Migrantenkindern» weit hinten, hier hatte auch
Brandenburg Probleme. Im Fach Englisch waren die ostdeutschen Länder
schwach – dies wurde damit erklärt, dass es wegen der untergeordneten
Rolle des Englischunterrichts in der DDR dort weniger ausgebildete
Lehrer gebe. Der «IQB-Ländervergleich Sprachen 2008/09» offenbarte
auch große Leistungsunterschiede zwischen den einzelnen Ländern und
zwischen den Schülergruppen. So erreichten in Englisch teilweise neun
von zehn Schülern außerhalb der Gymnasien nicht die Regelstandards.
Zudem wurde der PISA-Befund bestätigt, dass in Deutschland die
soziale Herkunft Schulerfolge massiv beeinflusst.
Was ist vom «IQB-Bildungstrend 2015» am Freitag zu erwarten?
IQB und KMK haben bisher nichts durchsickern lassen, es gab aber nach
Informationen der Deutschen Presse-Agentur «Vorwarnungen» an Länder.
Laut Trendmeldungen liegen Bayern und Sachsen vorn, Baden-Württemberg
hat sich verschlechtert, dafür soll das rot-grüne Schleswig-Holstein
ganz gut dastehen. Man muss kein Prophet sein für die Annahme, dass
die Stadtstaaten aufgrund ihrer Schülerstruktur auf hinteren Rängen
festsitzen. Die Erziehungswissenschaftlerin Michaela Sambanis von der
Freien Universität Berlin sagte dem «Tagesspiegel», im Vergleich zu
2008/09 sehe sie größere Fortbildungsbereitschaft bei den Pädagogen.
«Die Lehrkräfte sind engagiert. Man spürt überall den Wunsch nach
Impulsen.» Echte Verbesserungen in Tests «brauchen aber viel Zeit».
Erst die IQB-Studie – dann PISA. Was kommt damit auf uns zu?
In rund sechs Wochen, am 6. Dezember, ist es soweit: Dann präsentiert
die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) den sechsten PISA-Vergleich seit dem Jahr 2000. Für 10 000
Schüler in Deutschland und eine halbe Million weltweit endete der
Test für Naturwissenschaften, Mathematik und Lesekompetenz im Mai
2015. Der «PISA-Schock» vor 15 Jahren wirkt hierzulande noch nach,
auch wenn er sich letztlich als heilsam erwies. In der ersten Studie
hatten deutsche 15-Jährige miserabel abgeschnitten, zudem wurde ein
beschämend enger Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und
Bildungschancen attestiert. In den PISA-Tests 2003, 2006, 2009 und
2012 ging es bergauf, die deutschen Bildungsreformen zeigten Erfolg.
Nun hoffen allen, dass dieser Trend erst einmal anhält.